Benjamin Hadrigan bittet nicht um Mitleid, zumindest aber um Verständnis. Nicht für sich, sondern für seine (und eigentlich alle) Lehrer. „Sie können gar keine Ahnung von Social Media haben – also zumindest nicht so richtig. Weil sie schlichtweg zu alt sind.“ Die Pädagogen seien zudem „Opfer eines veralteten Schulsystems“. Das verbinde sie wiederum mit den Schülern. Denn auch die Wissbegierde der Schüler werde im aktuellen System, dessen Grundmodell aus dem 18. Jahrhundert stammt, „langsam, aber sicher zerstört“.

Technologie nutzen

Es sind wenig versöhnliche Worte, mit denen Benjamin Hadrigan in seinem gestern auf den Markt gekommenen Buch den Ist-Zustand in Österreichs Klassenzimmern analysiert. Er tut es aus der Position des unmittelbar Betroffenen – der Niederösterreicher geht selbst noch zur Schule. Er tut es aber auch im Wissen, wie es anders funktionieren kann – ebenfalls aus eigener Erfahrung.

Hadrigan, ehemals ausgestattet mit einem blühenden Hass auf
die Schule, entsprechenden Misserfolgsserien und hohem Potenzial
zum Schulabbruch, hat sich vom „Fünfer-Kandidaten“ zum Musterschüler gewandelt. Vor allem weil er sich eine unter Eltern und Lehrern als didaktischen Ablenkungsgiganten, Zeitverschwendungsfabrik und unsinniges Hobby in Verruf geratene Technologie zum Freund und Nachhilfelehrer gemacht hat: soziale Medien.

Schnell und einfach

Warum sich WhatsApp, Instagram und Snapchat perfekt zum Pauken eignen? „Weil alle drei Plattformen für eine einzige Sache konzipiert worden sind: Kommunikation“, erklärt Benjamin Hadrigan. Diese Kommunikation sei aber nicht zu vergleichen mit einem normalen Gespräch in der analogen Welt. „Die Kommunikation via Social Media ist massiv vereinfacht und viel schneller.“ Statt der vielen Worte wird auf Bilder, Abkürzungen, Hashtags, Storys und kurze Kommentare zurückgegriffen. Sie sind genau darauf spezialisiert, worum es auch beim Erarbeiten eines Mount-Everest-hohen Bergs aus Lernstoff geht: komplexe Sachverhalte zu kürzen.

Dieser These folgt Hadrigan in seinem Lernleitfaden und liefert detaillierte Anwendungstipps vom Hochladen der Apps bis zur konkreten Gestaltung von Lerneinheiten, die je nach Onlinedienst andere Funktionsweisen und Ziele verfolgen.

Richtig organisieren

Demzufolge dient Instagram dem Aufteilen von Lerninhalten in kurze Texteinheiten, Videos und Audiofiles, in denen Schüler den Stoff sich selbst oder anderen vortragen (siehe rechts). Mit Snapchat wiederum könne das Wissen wie bei einem Quiz abgeprüft werden, wobei das Ausarbeiten der Fragen selbst zum Lernprozess gehört. Stimmt eine Antwort, kommt ein Daumen hoch. WhatsApp funktioniert am besten für die Organisation der Lernprozesse innerhalb einer Gruppe von Schülern.
Bevor Schüler mit Social Media zu lernen beginnen, müssen sie aber klären, welcher Lerntyp sie sind – und auch die Anwendungen entsprechend adaptieren. Damit befasst sich das Buch im ersten Teil mit einfach gestrickten Selbstanalyse-Tools.



Das mag streckenweise handgeschnitzt und oberflächlich wirken, holt das Zielpublikum aber auf Augenhöhe ab – was die akademisch-politische Debatte selten schafft. Das versteht auch Hadrigan nicht – Stichwort Digitalisierung: „Wir brauchen keine Steuermillionen für PCs und EDV-Räume ausgeben. Jeder Schüler ist doch schon durch sein Handy digitalisiert.“

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