Spricht man mit Menschen über ihre Ziele im Leben, wird auch oft eine Partnerschaft als Wunsch genannt. Viele sehnen sich nach jemandem, zu dem man abends nach Hause kommt. Doch woran liegt es, dass für einen großen Teil der Menschen eine Liebesbeziehung so wichtig ist? Brauchen wir sie – oder wünschen wir sie uns häufig nur?

Wie sehr ein Mensch sich eine Beziehung wünscht oder das Gefühl hat, eine solche zu brauchen, sei höchst individuell, sagt Christina Maria Beran, Psychologin und Vizepräsidentin des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen. „Aber es ist schon so, dass wir eine Veranlagung dazu haben, dass wir grundsätzlich wollen, dass es uns im Leben gut geht.“ Evolutionär betrachtet hängt das auch oft mit den Verbindungen zu anderen Menschen zusammen.

Grundsätzlich strebt der Mensch nach Lebenszufriedenheit. Um diese zu erreichen, gibt es mehrere Komponenten, die notwendig sind. Etwa gute Beziehungen zu anderen Menschen. „Es wäre also schwer, tiefe Zufriedenheit zu empfinden, wenn dieses Bedürfnis nach Verbindungen besteht und solche aber nicht vorhanden sind.“

Über die Zeit gewachsen 

Dass uns Beziehungen so wichtig sind, lässt sich durch einen evolutionspsychologischen Ansatz erklären: In frühen Phasen der Menschheitsgeschichte war es überlebensnotwendig, innerhalb der Gruppe gute Verbindungen zu anderen Menschen zu haben. „Das hat sich tief in uns eingebrannt“, sagt die Psychologin. Und ganz ist die Notwendigkeit von Verbindungen auch heute nicht verschwunden: „Wir brauchen Menschen, die uns wohlgesonnen sind, die uns unterstützen und mit denen wir uns austauschen können.“ Daran führe kein Weg vorbei, denn „wir sind nun einmal soziale Lebewesen“.

Welche Arten von Beziehungen man braucht, sei aber ganz von den individuellen Bedürfnissen abhängig. Und: „Diese Bedürfnisse können sich immer wieder verändern“, so Beran. So kann es sein, dass es in einer Phase des Lebens wunderbar passt, Single zu sein, viel Zeit für sich selbst zu haben und keine Rücksicht auf eine Partnerin oder einen Partner nehmen zu müssen. „Das bedeutet aber nicht, dass das für immer so bleibt. Es kann gut sein, dass dann wieder eine Phase des Lebens kommt, in der man sich eine Partnerschaft wünscht.“

Viele Bedürfnisse können auch in nicht-romantischen Beziehungen abgedeckt werden: Etwa wenn man intellektuelle Gespräche sucht oder jemanden, mit dem man Urlaub an geliebten Orten machen kann. „Es gibt aber Bedürfnisse, die können Freundschaften nicht erfüllen.“ Etwa, wenn man sich nach Romantik sehnt.

„Was man sich von einer Liebesbeziehung erwartet, hat sich in den letzten Jahren verändert. Man möchte, dass die Partnerin bzw. der Partner so gut wie alles abdeckt: Die Beziehung soll mich spirituell, erotisch, romantisch, intellektuell und noch in vielen anderen Bereichen abholen“, sagt Beran. Das bringe Stress mit sich – denn diesen Erwartungen gerecht zu werden, ist fast unmöglich. Außerdem bergen solche hoch angesetzten Erwartungen viel Potenzial für Konflikte. „Vor einigen Jahrzehnten hatten Beziehungen noch ganz andere Aufgaben. Und die Bedürfnisse, die man jetzt an einen Partner bzw. eine Partnerin richtet, wurden von ganzen Gemeinschaften erfüllt.“

Außerdem bergen solche hoch angesetzten Erwartungen viel Potenzial für Konflikte. Geprägt seien diese  vor allem von den Hollywood-Darstellungen von Partnerschaften, meint die Psychologin. "Vor einigen Jahrzehnten hatten Beziehungen noch ganz andere Aufgaben. Und die Bedürfnisse, die man jetzt an einen Partner bzw. eine Partnerin richtet, wurden von ganzen Gemeinschaften erfüllt."

Dabei sei es auch heute nicht zwingend notwendig, dass die Partnerin bzw. der Partner alle Bedürfnisse abdeckt. Gleicht man sich etwa bei den Hobbys nicht, können solche auch etwa mit guten Freunden ausgelebt werden. Und Bedürfnisse können und dürfen sich verändern – und damit auch Beziehungen aller Art.