Wir kennen Urlaubsparadiese, Einkaufsparadiese und andere matte Derivate der großen biblischen Endzeitverheißung. Der Bildhauer Christian Ruschitzka erinnert mit seinen für die Kleine Zeitung gestalteten Oster-Titelseiten an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes.

Den Auftakt am Karfreitag machte das Omega. Der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets steht für das Ende aller Tage. Jesus sagt von sich in der Geheimen Offenbarung: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende“ und deutet damit die Weltgeschichte neu. Die Umkehrung der Buchstabenfolge setzt den Karfreitag als vorläufiges Ende, ins liturgische Blutrot des Martyriums getaucht. Die Buchstaben hat Ruschitzka aus Holz geschnitten, wie die frühen Christen Zeichen an die Katakombenwände ritzten.

Die heurigen Oster-Titelseiten: Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag (v.li.)
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Ein Punkt für Judas

Am Karsamstag wurde die Titelseite violett. Violett steht für Warten, Entbehrung, Fasten. Auch die Punkte drücken einen Übergang aus, eine Zwischenzeit. Wir setzen drei oder vier Punkte in unseren Texten, wo eine Pause den Sprachfluss unterbricht. Sie füllen eine Lücke. Auf unserer Titelseite können sie die Frist zwischen Tod und Auferstehung überbrücken, zwischen dem biblischen Geschehen und heute, zwischen Schöpfung und Erlösung oder zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Christian Ruschitzka ritzt zwölf Punkte und einen ins Holz. Ohne die Geschichte der zwölf Apostel keine Geschichte des Christentums. Ohne Judas, der nach seinem Verrat durch Matthias ersetzt wurde, keine Passion. Deshalb hat auch er, der Verräter, einen Punkt

Leuchtendes Grün für Neubeginn

Das Ende seiner Ostertrilogie auf der Sonntags-Titelseite markiert in leuchtendem Grün auch einen Neubeginn. Alpha, der erste Buchstabe des griechischen Alphabets, bezeichnet für Ruschitzka den Aufbruch nach dem Tod, den „Anfang von etwas nicht mehr Greifbaren“, aber auch der Geschichte der Kirche mit ihren Licht- und Schattenseiten. Jesus hatte den Universalanspruch an die Menschen umgekehrt formuliert: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.“ Osterkerzen tragen diese beiden Buchstaben.

Alle Oster-Titelseiten der Kleinen Zeitung seit 2009

Videorundgang mit Richard Kriesche

Bis 2021 war es vornehmlich der Künstler Richard Kriesche, der die Oster-Titelseiten der Kleinen Zeitung gestaltete. 2021 brachte er seine Oster-Titelseiten an den Ort ihrer Entstehung zurück: In einem Gang der Druckerei Styria zeigte er - damals coronabedingt ohne Publikum - seine Versuche, das Passionsgeschehen mit der Gegenwart in Verbindung zu bringen. Hier finden Sie den damals gefilmten Videorundgang.