Maßnahmen wie Girls Day oder Mentoring ändern wenig am Gesamtbild. Zu dem Schluss kam Sozialwissenschafterin Marita Haas in einer Studie. Seit Jahren wird versucht durch zahlreiche Initiativen Mädchen und junge Frauen für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu begeistern. Um Rollenbilder aufzubrechen, brauche es aber vielmehr ein ermutigendes Umfeld und strukturelle Maßnahmen, so die Sozialwissenschafterin.

Haas hat in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt
die Lebensgeschichte von Wissenschafterinnen in technischen
Berufsfeldern untersucht. Unter anderem mit narrativ-biografischen
Interviews wollte sie einen tieferen Einblick in die Verflechtungen
von individuellen und äußeren Gender-Faktoren im Berufsleben
erhalten. "Durch das offene Erzählen erfährt man viel über
Verschränkungen der Biografie mit institutionellen und
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen", so Haas am Montag in einer
Aussendung des FWF.

Offener Zugang erleichtert vieles

Den Analysen zufolge haben Frauen, die sich für männlich
dominierte Berufe entscheiden, in der Regel ein ermutigendes Umfeld
erlebt, etwa in der Familie, der Schule oder einer Organisation. Ein
offener Zugang erleichtert es demnach, ungewöhnliche Karrierewege
einzuschlagen. Meist sei es ein bildungsaffines Elternhaus, das
ermutige, Dinge auszuprobieren oder ungewöhnliche Wege
einzuschlagen, und die Haltung vermittle, "die Welt steht dir
offen".

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass es weniger um Vorbilder als um
eine gewisse Offenheit in Bezug auf die Lebens- und Karriereplanung
geht", so Haas, die bis 2017 eine Hertha-Firnberg-Stelle am Institut
für Managementwissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien
innehatte und nun als Lektorin und Beraterin zu den Themen
Diversität und Gleichstellung tätig ist. Es kommt also auch den viel
zitierten fehlenden Role Models weniger Bedeutung zu als etwa den
fehlenden Strukturen für Geschlechtergleichstellung in relevanten
Bereichen wie Bildung und Wirtschaft.

Wichtiger ist für die Expertin vielmehr die Frage, wie
Förderungsstrukturen aussehen können, die Zusammenarbeit auf
Augenhöhe anstreben, oder wie Rekrutierungsprozesse gestaltet sind. Um Gleichstellung in Unternehmen zu realisieren, müsse Gender
jedenfalls genauso ernst genommen werden wie jedes andere
Business-Ziel, betont Haas. "Das passiert nur, wenn es Top-down
implementiert wird oder etwa auch durch Quotenregelungen. Ich
verstehe die Kritik an Quoten, aber zuzusehen wie nichts passiert,
ist wesentlich schlimmer." Strukturelle Maßnahmen wie Quoten und
Diversitätsinitiativen seien wesentlich, um festgeschriebene
Genderrollen nachhaltig aufzubrechen.