Vegane Ernährung ist für viele junge Menschen mehr als ein Trend: Sie ist Ausdruck ihres Umweltbewusstseins und ihres Gerechtigkeitsempfindens. Was für viele junge Menschen ein Ausdruck ihrer Werte ist, stellt Eltern vor neue Herausforderungen. Wie gelingt eine ausgewogene Versorgung in der Wachstumsphase?
Laut einer Umfrage des Instituts Splendid Research entscheiden sich vor allem Jugendliche im Alter von 11 bis 19 Jahren für eine vegane oder vegetarische Ernährung. Häufig genannt werden dabei Gründe wie Tierschutz, Klima, Gesundheit oder soziale Gerechtigkeit. „Ich will nicht, dass für mein Essen ein Tier leiden muss“, sagt die 16-jährige Lina. Sie lebt seit über einem Jahr vegan – aus Überzeugung, wie sie betont. Dass Jugendliche heute früh und selbstbestimmt Entscheidungen über ihre Ernährung treffen, hängt auch mit dem Zugang zu Informationen zusammen. Dokumentationen, Social Media und Bildungsangebote liefern Einblicke in Massentierhaltung, Treibhausgasemissionen und globale Ungleichheiten im Ernährungssystem. „Ich habe eine Doku über Tiertransporte gesehen – danach konnte ich kein Fleisch mehr essen“, erzählt der 17-jährige Jonas.
Soziale Zugehörigkeit
„Die Identität von Jugendlichen wird in dieser Lebensphase stark durch soziale Zugehörigkeit geprägt. Wenn vegane Ernährung in ihrem sozialen Umfeld als positiv wahrgenommen wird, kann dies einen starken Einfluss auf ihre Entscheidung haben“, erklärt Gudrun Sproesser, Gesundheitspsychologin an der Johannes Kepler Universität Linz. Besonders soziale Medien wirken dabei als Verstärker: Wer sich auf TikTok oder Instagram als vegan präsentiert, demonstriert Haltung – und sucht Zugehörigkeit.
Ernährungsberatung
Für Eltern bedeutet der Wunsch nach veganer Ernährung vor allem eines: Verantwortung übernehmen, ohne die Entscheidung des Kindes vorschnell abzutun. „Eltern sollten sich gut informieren und fachliche Beratung einholen, wenn ihr Kind sich vegan ernähren möchte. Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für das Wachstum und die Entwicklung“, betont Andreas Bieri, Kinderarzt am Kantonsspital Aarau. Besonders die Pubertät ist eine Phase intensiven körperlichen und geistigen Wachstums, hormoneller Umstellungen und neuer Belastungen für das Immunsystem. Ernährungsberaterin Claudia Nichterl erklärt: „Eine vegane Ernährung kann für Kinder und Jugendliche gesund sein, wenn sie gut geplant ist. Es ist wichtig, auf kritische Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen und Omega-3-Fettsäuren zu achten.“ Wichtige Blutwerte sollten daher regelmäßig überprüft werden. Zu den empfohlenen Parametern zählen Hämoglobin, Ferritin (Eisenstatus), Vitamin B12, Jod, Zink sowie optional Vitamin D, Calcium, Selen und der Eiweißstatus.
Wer auf eine ausgewogene Nährstoffzufuhr achtet, kann gesundheitlich profitieren. Eine pflanzenbasierte Ernährung – vegetarisch oder vegan – kann langfristig die Cholesterinwerte verbessern und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern. Vegane Kinder und Jugendliche konsumieren im Durchschnitt mehr Ballaststoffe und weniger verarbeiteten Zucker. Gleichzeitig müssen viele regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen – ein weiterer Grund für ärztliche Begleitung.
Emotionales Thema
Der neue Essstil des Nachwuchses führt nicht selten zu Spannungen. Eltern fragen sich: Bekommt mein Kind genug Nährstoffe? Ist das nur eine Phase? Auch Großeltern oder Verwandte reagieren mitunter kritisch: „Kein Schnitzel mehr?!“ Solche Kommentare zeigen: Ernährung ist ein emotionales Thema und sozial und kulturell tief verankert. Doch ein respektvoller Umgang mit den Werten des Kindes kann Brücken bauen. Wer als Familie offen bleibt, kann gemeinsam neue Rezepte entdecken – und vielleicht auch zusammen kochen. Fürsorge heißt in diesem Fall: Verantwortung übernehmen, aber auch Vertrauen schenken.