Eigentlich war man ja krasser Außenseiter. Bis gestern um 10.15 Uhr war im österreichischen Rennen um die Europäische Kulturhauptstadt 2024 nämlich St. Pölten der Favorit: Satte 60 Millionen Euro wollten die Niederösterreicher für das Kulturereignis locker machen. In der Region Dornbirn sollten es immerhin noch 30 Millionen sein.

Die EU-Jury aber verkündete gestern Vormittag ihre Entscheidung für das Salzkammergut. Was den Ausschlag gab? „Den Titel Kulturhauptstadt bekommt man nicht dafür, was man ist, sondern wohin man sich entwickeln möchte“, so die euphorische Vermutung von Hannes Heide, dem Bürgermeister der „Bannerstadt“ Bad Ischl.

Groß war der Jubel der Abordnung aus dem Salzkammergut nach der Entscheidung.
Groß war der Jubel der Abordnung aus dem Salzkammergut nach der Entscheidung. © Daniel Gollner

Wobei sich das Salzkammergut mit dem, was es ist, bekanntlich nicht verstecken muss. In der Region zwischen Aussee, Gmunden, Hallstatt, Goisern, Ischl finden sich: Naturschönheit und Kulturlandschaft, Industriezentren und Sommerfrische, prähistorische und zeitgeschichtliche Brennpunkte, Weltkulturerbe und Zielscheiben des Overtourism. Zu alldem hat das Bewerbungsteam um Projektleiter StefanHeinisch auch das Entwicklungspotenzial der Region überzeugend skizziert: Die Bewerbung nennt neben den von alters her prägenden Ressourcen Salz und Wasser die Kultur als drittes Element, das der Region den Stempel aufdrückt.

Für die Jury, die über die Kulturhauptstadt 2014 entschied, war dann eines überzeugend, verriet die Vorsitzende CristinaFarinha: „Es geht anhand des Themas Salz um Fragen der Post-Industrialisierung, um Tourismus und Hypertourismus und darum, wie man mit Tradition, Kultur und alternativer Kultur umgeht. Diese Fragen sind die gleichen, die sich vielen Städten in Europa stellen.“

Bad Ischl im Mittelpunkt: Das Kurhaus in der Kaiser-Stadt.
Bad Ischl im Mittelpunkt: Das Kurhaus in der Kaiser-Stadt. © APA/BARBARA GINDL

Das kluge Konzept gab also den Ausschlag – zumal die akribisch vorbereitete Bewerbung nicht auf fette Finanzspritzen setzen konnte. Man hofft, per Drittelfinanzierung durch den Bund, die beteiligten Länder Oberösterreich und Steiermark und rund 20 Gemeinden auf rund 30 Millionen Euro Budget zu kommen. Aus der Steiermark sind mit Altaussee, Bad Aussee, Grundlsee und Bad Mitterndorf vier Gemeinden dabei. Und schon wird spekuliert, dass in der Bewerbungsphase abgesprungene Kommunen aus Salzburg nach dem Erfolg nun doch beim Kulturhauptstadtjahr mitmischen möchten. Der Ischler Bürgermeister Heide ist dafür: „Die Türen sind offen.“ Für die Auseinandersetzung mit den Menschen, der Kultur und den Traditionen einer außergewöhnlichen Kulturregion.

Dass das Salzkammergut durch eine Landesgrenze geteilt ist, verblasste in der Euphorie um den Zuschlag für die Kulturhauptstadt 2024. Es wurde grenzenlos gejubelt, hüben wie drüben, und das war nicht zuletzt dem Wissen um die Stärke der Mitbewerber geschuldet. Letzteres bringt der Bad Ausseer Bürgermeister FranzFrosch auf den Punkt: „Wir haben gehofft und gebangt. Schließlich hatten wir prominente Mitbewerber.“ Jetzt warte viel Arbeit, weiß Frosch und freut sich darauf: „Dafür sind wir ja da.“

Der Zuschlag ist für den Touristiker ErnstKammerer der Änderung der Richtlinien geschuldet: „Das Programm Kulturhauptstadt ist seit Graz (2003) und Linz (2009) ein anderes geworden. Ginge es um ein reines Kulturprojekt, hätte das St. Pölten besser gekonnt.“ Für Kammerer ist das Projekt ein langfristiges und 2024 nur eine Haltestelle auf dem Weg: „Es geht um die Frage, wo wir 2030 stehen, ob man es schafft, Probleme zu lösen. Eines heißt Landflucht.“ Die Bewerbung habe die Spitzen der Eisberge gezeigt, jetzt gilt es, das mit Leben zu erfüllen.

„Das ist ein Stück Geschichte, das wir da geschrieben haben“, ist FranzSteinegger überzeugt. Der Grundlseer Bürgermeister, der auch Mitglied im Bewerbungskomitee war, hatte es gestern ziemlich anstrengend. Von Wien ging’s – mit Zwischenstopp daheim – ins Lehar-Theater nach Bad Ischl, wo groß gefeiert wurde. Und nach der Feier? „Da beginnt die Umsetzung“ betont Steinegger.

„Ich bin überglücklich, dass wir es mit dem steirischen Weg der Zusammenarbeit über Landes- und Parteigrenzen hinweg geschafft haben, dass die Steiermark Teil der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 ist“, freute sich gestern Landeshauptmann HermannSchützenhöfer.