An den Titeln der drei bisherigen Alben des 32 Jahre alten Briten - seine Eltern stammen aus Uganda - kann man viel ablesen: "Home Again" hieß der Erstling aus dem Jahr 2012 - damals war Kiwanuka noch ein Geheimtipp und auf der Suche nach einem Zuhause und vor allem nach sich selbst. "Love and Hate", das zweite Album (2016), war ein weiteres Dokument der Selbstsuche. Und das dritte Album, erst vor wenigen Wochen erschienen, trägt schlicht den Titel "Kiwanuka". Der Mann und Musiker ist angekommen.

Das heißt aber nicht, dass man seine Musik so ohne weiters in die Schublade "New Soul" stecken könnte. Das neue Album stand naturgemäß auch im Mittelpunkt des rund zweistündigen Konzertes am Freitag in der Wiener Stadthalle. Während Dieter Bohlen in der großen Halle seine Nostalgieshow abzog, feierte der Brite mit vierköpfiger Band und zwei Sängerinnen in der kleineren, aber bis auf den letzten Platz gefüllten Halle F eine empathische, seelenvolle Soulmesse, die dieses Genre freilich sprengte.

Obwohl Marvin Gaye oder Curtis Mayfield grüßen lassen, ist der Kosmos Kiwanukas viel breiter. Vor allem die Songs des neuen Albums kommen im üppigen Cinemascope-Format daher - zeitweise fühlt man sich gar in einen Tarantino-Film versetzt. Psychedelic, Folk, Blues, alles ist in diesem Mix enthalten, der zwar in der Vergangeneheit wurzelt, aber dennoch einen neuen, frischen, stolzen Sound ergibt. Hier betet niemand die Asche an, hier wird das Feuer weitergetragen.

Kiwanuka ist ein Superstar ohne Allüren, seine Band stärkt ihm kompakt den Rücken, die beiden Sängerinnen verleihen dem Bühnengeschehen zusätzlich Zauber und Kraft. Das trotzige "Black Man In A White World" und das bluesgetränkte "The Final Frame" sind zwei Höhepunkte unter vielen, nur die neuen Songs kommen live zunächst etwas zu breitschultrig daher. Die Chemie stimmt wieder, wenn Kiwanuka die eher erdigen Stücke ins Programm mischt. Immer wieder versinkt dieser Vollblutmusiker voll meditativer Selbstverlorenheit in seiner Tonwelt. Zwischendurch beweist der 32Jährige fast schüchtern, dass er nicht nur eine große Stimme, sondern überaus flinke Gitarrenfinger hat.

"Home Again", das epische "Cold Little Heart" in einer gekürzten Version und "Love & Hate" machen als Zugaben den Abschluss eines denkwürdigen Konzertes. Von Hass war an diesem Abend nichts zu spüren. Von Liebe hingegen sehr viel. Auch jener zur Musik. Und als Merksatz darf man aus diesem Erlebnis destillieren: Musik ist kein Content, sondern ein Konzept, das am besten funktioniert, wenn man es mit Herz und Hirn befüllt. So, wie es Michael Kiwanuka vormacht.