Irgendwann wird der Serienmörder Peter Vinge (Tobias Santelmann) zu seinem Sohn nach einer Prügelei auf dem Schulhof entsetzt sagen: „Johannes, du darfst niemanden verletzen, du musst deine Probleme anders lösen!“ Und das ist nicht als Schenkelklopfer für zwischendurch gedacht, um ein bisschen für die Entspannung der angespannten Nerven zu sorgen. „Blinded“ (Arte-Mediathek) ist eine stille Serie auf einer dänischen Insel, die sich weder örtlich allzu weit ausbreitet, noch mit allzu großen Knallern aufwartet. Keine schlechte Strategie, weil sich so eine angespannte Grundstimmung ausbreitet, die sich allein aus den emotionalen Zwängen der Protagonisten speist.

Da wäre eben der Serientäter Peter Vinge: ein Sohn, ein Job im Sägewerk, die Frau arbeitet in Singapur. Stets bemüht, stets freundlich, stets besorgt, ein Vorzeigenachbar und Vorzeigemitarbeiter – gespielt ist das nicht. Und doch: Brodelt es unter seiner Oberfläche, dann wird er zum Serienmörder, bringt junge Männer in seine Gewalt und foltert sie. Es ist der Schmerz, der ihn antreibt.



Eines seiner Opfer war der Sohn der Richterin Alice Ejbye (Solbjørg Højfeldt), die nun die befreundete Profilerin Louise Bergstein (Natalie Madueño) um Hilfe bittet, da sie nur mehr wenige Monate zu leben hat. Ihr sehnlichster Wunsch: dass der Mörder ihres Sohnes gefasst wird. Von Beginn an ist der Serienmörder bekannt, was zu zwei gleichwertigen Ebenen im Spannungsaufbau führt: Man taucht in die Lebenswelt des Täters ein und verfolgt sein Tun Schritt für Schritt, während die Profilerin und eine weitere Ermittlerin dem Täter sukzessive näher kommen. Somit schrauben sich auch die Emotionen aller Beteiligten mit schöner Gleichmäßigkeit nach oben. Auch, weil sich Peter Vinge nach privaten Problemen wieder ein neues Opfer sucht, ja geradezu suchen muss und einen Balanceakt zwischen Serienmörder und liebendem Familienvater absolvieren muss.

Profilerin Louise Bergstein punktet mit ihrer unaufgeregten Art und schleppt doch, offenbar eine alte Ermittlerkrankheit, ein ordentliches emotionales Gepäck mit sich herum. Auch sympathisch: Ein messerscharfer Verstand, der darauf verzichtet, sich über andere zu erheben. Müssen ja nicht alle gleich Sherlock Holmes sein.

"Blinded" in der Arte-Mediathek