Wolfgang Fellners Ankündigung, den Presserat klagen zu wollen, folgten noch keine Taten. Hintergrund ist eine Entscheidung des Vereins, der sich der Einhaltung ethischer Grundsätze im österreichischen Journalismus verschrieben hat, die Berichterstattung von "oe24.at" über die Wiener Terrornacht vom 2. November zu tadeln. Konkret wurden Fellners Medienportal die Verletzung von Punkt 5
(Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex vorgeworfen. Fellner sprach damals von einem "totalen Fehlurteil" und kündigte rechtliche Schritte an, würde das Urteil nicht zurückgezogen.

Von einem "bewegten Jahr" sprach Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek bei der Jahrespräsentation am Dienstag. 148 Fälle wurden 2020 bearbeitet - darunter viele zur von zahllosen Lesern beanstandeten Coronaberichterstatttung. "Die meisten dieser Beschwerden wurden jedoch nicht aufgegriffen", erklärt Warzilek. Eine Ausnahme bildete die Berichterstattung der Tageszeitung "oe24" mit dem Titel: "Corona: Wiener Promi-Anwalt im Koma". Indem die schwer erkrankte Person unverpixelt gezeigt wurde, seien sein Persönlichkeitsschutz und seine Intimsphäre verletzt worden, so der Presserat.

Meiste Verstöße von "oe24", "krone" und "heute"

Insgesamt stellten die Senate des Presserats 2020 in 418 behandelten Fällen 36 Ethikverstöße fest. Die meisten Beschwerden gab es über "Österreich" beziehungsweise "oe24.at": 57 Fälle wurden gemeldet, 17 Mal kam es zu Ethikverstößen. An der zweiten Stelle findet sich die "KronenZeitung" mit 62 Fällen und elf Verstößen. "Heute" kam auf 28 gemeldete und letztendlich drei (geringfügige) Verstöße. 52 Beschwerden richteten sich gegen die Berichterstattung von "Der Standard", allerdings wurde keine der beanstandeten Bericht als Verstoß gewertet.

Offen bleibt indes, ob Wolfgang Fellner tatsächlich rechtliche Schritte gegen den Presserat setzt. Die Streitfrage: Normalerweise ist der Stream von "oe24.tv" auch auf "oe24.at" zu sehen. Nicht so während der Terrornacht, als durch einen Serverausfall jene Videos, auf denen unter anderem der Mord an einer jungen Frau zu sehen ist, nicht auf "oe24.at" zu sehen waren. Der Presserat sieht trotzdem eine Übertretung: "Wenn ich die Inhalte vorbehaltlos übernehme, dann muss ich für diese auch gerade stehen. Ein Serverausfall ist keine medienethische Entscheidung, die Videos nicht zu bringen, sondern war technischer Überlastung geschuldet", erklärt Andrea Komar, Vorsitzende des zuständigen Senats 2. Der Fall "oe24.at" war in einer eigenen Sitzung unter Inanspruchname rechtlicher Unterstützung behandelt worden.

Was passiert, wenn Wolfgang Fellner tatsächlich den Presserat klagt? Dies habe er in anderen Fällen bereits zweimal getan, gibt sich Warzilek vorsichtig gelassen. In beiden Fällen hätten die Gerichte klar dem Presserat recht gegeben. Dennoch wäre eine Klage, allein schon durch die inhaltliche Betreuung, eine Belastung für die personell kleine Institution. Zugleich macht der Geschäftsführer klar, dass der Presserat die Rückendeckung seiner Träger habe. "Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und stehen zu dieser. Wir werden sie nicht zurücknehmen", so Warzilek.