Kalter Entzug für den US-Präsidenten, der 2020 noch durchschnittlich 36 Tweets pro Tag abfeuerte und damit einen neuen persönlichen Höchstwert aufstellte. Seit Twitter und Facebook Trump vor wenigen Tagen zur persona non grata auf ihren Plattformen deklariert haben, ist auch die Social-Media-Regentschaft des 74-Jährigen vorerst vorüber.

Während die Debatten über die Verantwortung der großen Netzwerke damit keineswegs beendet sind, rücken jene Schattenplattformen in den Fokus, die der extremistische Teil von Trumps Anhängern schon länger bevorzugt, weil hier mit Sanktionen nach Gewaltaufrufen, Rassismus, Sexismus und Hass ebenso wenig so wenig zu rechnen ist wie mit der Kritik der breiten Öffentlichkeit.

Sie zieht die Fäden

Services wie Parler, die im Vorfeld des Sturms auf das Kapitol eine zentrale Rolle spielten, geben sich betont selbstbewusst: Niemand sei so nah dran, Facebook und Twitter Konkurrenz zu machen, beschwor Gründer JohnMatze noch kürzlich die Bedeutung dieser Plattform, die von Rebekah Mercer mitfanziert wurde. Die Lobbyistin und Tochter des Milliardärs Robert Mercer ist eine der zentralen Figuren der Finanzierung von trump-loyalen und ultrakonservativen Nachrichtenplattformen wie „Breitbart“. Ein Zeit lang profitierten Parler, Telegram und Co. von den Accountsperren auf den großen Plattformen und nutzten die Gelegenheit, sich als vermeintlich moralisch überlegen darzustellen: „Wir sind erste Adresse für freie Rede“ lautete Parlers Leitspruch.

© Screenshot

Im "digitalen Bürgerkrieg"

Seit gestern allerdings ist Parler offline. Der Grund: Anbieter wie Google, Apple und Amazon warfen das Netzwerk von ihren Servern und aus ihren App-Stores. Wie und ob es für den Tummelplatz der Illiberalen weitergeht, ist offen. Konkurrenzanbieter stehen längst bereit, das oft rechtsextreme Publikum aufzufangen. „Selbst wenn es Parler nicht zurückschafft. Wir haben Telegram. Wir haben Gab. Wir haben die Straße“, teilt dazu Martin Sellner via Nachrichtendienst Telegram mit. Youtube, Twitter und Facebook hatten den Aktivisten der rechtsextremen Gruppe der „Identitären“ im Vorjahr auf ihren Plattformen gesperrt. Als Begründung wurden unter anderem Verstöße gegen die Richtlinien gegen Hassrede angeführt. In der Entscheidung, Parler keine Server bieten zu wollen, will Sellner nun gar einen „digitalen Bürgerkrieg“ erkennen.