Das Phönix-Erlebnis blieb im Fall von „Addendum“ aus. Anders als im Mai 2016, als Dietrich Mateschitz das Ende des „wirtschaftlich untragbar gewordenen“ Senders Servus TV verkünden ließ. Keine 30 Stunden später nahm der Red-Bull-Konzern die Schließung überraschend zurück – nach Demutsbekundungen der Belegschaft, die gewagt hatte, über einen Betriebsrat nachzudenken. Der Phönix flog wieder aus der Asche, und Servus TV konnte seither seinen Marktanteil verdoppeln.

Im Fall von „Addendum“ verstrich die Nachdenkpause folgenlos, der Daumen des Mäzen Dietrich Mateschitz zeigt weiter in Richtung Erdmittelpunkt. Drei Jahre ließ er das Medienprojekt existieren, das zunächst online und später auch als Printmagazin erschien. Am Dienstag zog die Privatstiftung Quo Vadis Veritas einen Schlussstrich.

Was wirklich fehlt

Das Bedauern über die Einstellung ist groß, insbesondere innerhalb der Medienbranche, die nach dem Stellenabbau der Austria Presseagentur die nächste Hiobsbotschaft erfährt. Gesellschaftlich weit wichtiger ist die Schwächung der vierten Gewalt: Mit seinem investigativen Schwerpunkt war „Addendum“ ein Gewinn für die Transparenz im Land. Ins Bild passt, und doch ging es in diesen Tagen ein wenig unter, dass das Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ) bekannt gab, seinen Salzburger Standort auflassen zu müssen.

Die Abhängigkeit einzelner Medien von der Gunst eines Mäzens ist nur ein Teil der Fragilität des noch diversen Nachrichtenkosmos in Österreich. „Wir haben das Problem, dass Medien unter dem Problem der Disruption stehen“, konstatiert RomanHummel, emeritierter Kommunikationswissenschaftler der Universität Wien, bei einem virtuellen Mediengespräch von "Diskurs - Das Wissenschaftsnetz".
Die insgesamt 32 Millionen Euro Sondermedienförderung seien zu begrüßen, kritisch beurteilt Hummel hingegen die fehlenden Qualitätskriterien: Nicht die Auflage, sondern die Zahl der redaktionellen Beiträge, die Zahl der journalistischen Arbeitsplätze, die Akzeptanz des Presserates und der Umgang mit Hass-Postings sollten als Richtschnur dienen. Ähnlich lautend Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell, der einerseits eine „Überfütterung des Boulevards“ ortet und andererseits auf ein junges strukturelles Problem verweist: „Das Ausmaß an Ressourcen, die die letzte und die jetzige Regierung, insbesondere das Bundeskanzleramt, requiriert“, sei „etwas demokratiepolitisch sehr Bedenkliches“. Hausjell schlägt vor, den Personalaufwand für PR-Tätigkeiten einer Regierung auf ein Viertel zu beschränken. Aktuell seien allein im Kanzleramt bis zu 70 Personen mit PR befasst, erklärt Hausjell, der zudem vorschlägt, die Ministerien sollen dem Parlament halbjährlich einen Bericht vorlegen, wo, warum und mit welchem Erfolg inseriert wurde.

Es braucht neue Rahmenbedingungen

Die Corona-Pandemie beschleunigt die disruptiven Entwicklungen im österreichischen Medienmarkt. Von Einnahmenrückgängen im „größeren zweistelligen Millionenbereich“ sprach MarkusMair, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und Styria-Vorstandsvorsitzender. Einen Teil der Schmerzen gemildert habe die Kurzarbeit, die von den meisten Tageszeitungen genutzt wurde. Hinweise auf einen weiteren deutlichen Stellenabbau in der Branche sieht er derzeit nicht, sagt Mair, der noch heuer Verhandlungen zu einem neuen Journalisten-Kollektivvertrag beginnen will, um die „Rahmenbedingungen zukunftsfit zu machen“.

Gefragt, ob alle österreichischen Tageszeitungen die nächsten fünf Jahre überleben werden, will sich Mair nicht festlegen: „Das ist eine durchaus berechtigte Frage, die aber nicht einfach zu beantworten ist.“ In einer anderen Sache ist er überzeugt: Es werde auch in zehn Jahren noch Print-Tageszeitungen geben. Ein integriertes Modell aus Online und Print sei aber überlebensnotwendig für alle Zeitungen im Land, legt er sich fest.