Der Deutsche Journalisten-Verband hat von der Europäische Union Sanktionen gegen Ungarn wegen der Subventionierung regierungsfreundlicher Medien gefordert. Berichten zufolge sei bereits seit 2014 vom Büro des Ministerpräsidenten Geld an Medien geflossen, ohne das ungarische Parlament einzubeziehen.

Bereits der frühere EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso habe dazu gedrängt werden müssen, Ungarn das Missfallen der EU über Angriffe auf die Pressefreiheit auszudrücken, erklärte Überall weiter. Diese "Politik des Wegsehens" habe sich in Brüssel offenbar nicht geändert.

Einfluss über regierungsnahe Unternehmer

Vergangene Woche hatten fast alle Angestellten von Ungarns größter Nachrichten-Webseite Index.hu aus Protest gegen die Entlassung ihres Chefredakteurs gekündigt. Der zwei Tage vorher entlassene Chefredakteur Szabolcs Dull hatte zuvor "enormen Druck von außen" beklagt. Obwohl die Redaktion von Index einer unabhängigen Stiftung gehört, ist sie finanziell von den Werbeeinnahmen des Medienunternehmens Indamedia abhängig. Vor einigen Monaten hatte sich der regierungsnahe Unternehmer Miklós Vaszily in Indamedia eingekauft.

In den vergangenen Jahren hatte Regierungschef Orbán einen Großteil aller Medien des Landes unter die Kontrolle seiner Regierung gebracht, indem er sie von regierungsnahen Unternehmern aufkaufen ließ. Diese Medien wurden entweder auf Regierungslinie gebracht wie 2014 das Nachrichtenportal "origo" oder zugesperrt wie 2016 die linksliberale Tageszeitung "Népszabadság". 2018 wurde der Großteil der regierungsnahen Medien dann in die Stiftung KESMA eingegliedert. Sie werden durch staatliche Werbung massiv finanziell gefördert. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Ungarn nur noch auf Platz 89 von 180.

Der Kampf um die Medienfreiheit in Ungarn war am Donnerstag Inhalt mehrere internationaler Pressekommentare:

"Lidove noviny" (Prag):

"Der Fall des meistgelesenen Online-Portals des Landes, index.hu, erschüttert Ungarn. In Budapest sind Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die Abberufung des bisherigen Chefredakteurs Szabolcs Dull zu protestieren. Hintergrund ist, dass das Portal einen neuen Eigentümer hat. Es bestehen Befürchtungen, dass sich index.hu vollkommen ändern und nicht mehr kritisch über die Regierung berichten wird, sondern sich in die lange Reihe der Pro-Regierungsmedien einreiht. (...) Die Europäische Union zeigt einmal mehr, dass sie für derartige Situationen nicht gerüstet ist. Der oft zitierte Artikel 7 ermöglicht zwar den Entzug der Stimmrechte eines Mitgliedstaats. Dies erfordert indes die einstimmige Zustimmung aller anderen EU-Staaten, was unrealistisch ist, denn Budapest hält zu Warschau und umgekehrt."

"Sme" (Bratislava)

"In keinem anderen europäischen Land wird die gesellschaftliche Entwicklung so unter der Lupe beobachtet wie in Ungarn. Dort spielen sich nämlich Veränderungen ab, von denen die Anhänger der Orban-Regierung (des Ministerpräsidenten Viktor Orban) behaupten, nur Böswillige könnten sie in einen direkten Zusammenhang zueinander bringen. Ein kritisches Medium nach dem anderen verschwindet oder wird völlig umgekrempelt. Und das alles ist selbstverständlich nur Ergebnis von Management-Entscheidungen und der unsichtbaren Hand des Marktes. Doch unter dem Strich sehen wir stets Viktor Orban und sein Umfeld als Nutznießer.

Weil das Europäische Parlament voll von Missgünstigen ist, musste die Regierungspartei Fidesz eine Erklärung aussenden, wonach jegliches Geschehen im zuletzt aufgelösten Medium Index nur in der internen Firmenlogik begründet sei (...). Wenn wir schon die Unterdrückung der Medienfreiheit bei unseren Nachbarn zu einem Witz herunterspielen wollen, dann ist aber das Unterhaltsamste daran wohl eine Regierung, die zwar behauptet, mit all dem nichts zu tun zu haben, aber sich dennoch die Mühe antut, solche Noten zu verfassen, wie der Fall zu verstehen sei. Aber ach, das ist doch eine lieb gemeinte Aufmerksamkeit!"