Als am 17. Mai das Ibiza-Video an die Öffentlichkeit gelangte und in der Folge die türkisblaue Regierung in die Brüche ging, begann im Media Quarter Marx im 3. Wiener Gemeindebezirk ein Countdown zu ticken: Es galt innerhalb weniger Monate den neuen Nachrichtensender Puls 24 aus dem Boden zu stampfen. Ein Start erst nach der Nationalratswahl war offenbar undenkbar. „Der eine oder andere ist damals kurz in Schnappatmung verfallen“, erinnert sich Senderchefin Stefanie Groiss-Horowitz schmunzelnd. Die Hektik ist mittlerweile der Aufregung gewichen: Am Sonntag geht Puls 24 auf Sendung.

News, Diskussionen, Liveeinstiege, Veranstaltungsberichterstattung. Namensgebende 24 Stunden lang will der Nachrichtensender nicht nur im klassischen Fernsehen, sondern auch in der Smartphone-App und im Web Zuseher mit Informationen versorgen. „Wir haben das durchaus antizyklisch gedacht. In Zeiten, wo viele Häuser versuchen zu sparen, wo dreimal überlegt wird, bevor investiert wird, wollten wir ganz bewusst einen anderen Weg gehen: Wir investieren.“

40 neue Stellen

Für das Projekt seien 40 neue Stellen geschaffen worden, erklärt Corinna Milborn, für die als Infochefin „mit dem Nachrichtensender ein langjähriger Traum“ wahr wird, wie sie sagt. Für den schnellen Aufbau wurde im Sommer Publizist Stefan Kaltenbrunner von der Rechercheplattform Addendum zu Puls 4 gelotst. „Mit seinem Knowhow ergänzt er uns im Haus optimal“, erklärt Groiss-Horowitz die Personalie. Konkrete Zahlen, wie viel Geld für das neue Projekt investiert wurden, möchte die Senderchefin nicht nennen.

Die jüngste Erhöhung des Privatrundfunkfonds auf 20 Millionen Euro soll bei der Einführung des Senders keine Rolle gespielt haben: „Man macht nicht ein Projekt, das sehr viel Geld kostet, damit man dann auch gefördert wird“, wiegelt die Senderchefin ab. Für das zweite Halbjahr 2019 wies die Rundfunk und Telekom Regulierungsstelle (RTR) Puls 24 bereits 290.000 Euro zu.

Neustart mit kleinem symbolischem Makel

Wir wollen zu jedem Thema zwei Seiten zeigen, damit sich die Leute eine informierte Meinung bilden können“, wünscht sich „Pro & Contra“-Anchorwoman Milborn. Puls 24 soll zum Begleiter durch den Tag werden, wo man sich Zeit nimmt, aktuelle Themen ausführlich zu betrachten. Als Konkurrenz sieht sie weniger TV-Nachrichtensender – von CNN bis NTV – sondern neben den internationalen Giganten, wie Facebook, Instagram und Netflix das klassische Radio.

Für Groiss-Horowitz, die 2017 nach 20 Jahren beim ORF zum Privatsender wechselte, ist Puls 24 ein viel beachtetes Großprojekt. Unter ihrer Ägide entwickelten sich die Puls 4-Marktanteile kontinuierlich nach oben. Just zum Start des neuen Senders gilt es allerdings eine schmerzhafte symbolische Niederlage zu verkraften: Im August dürfte Servus TV (u.a. durch Tennis aus Kitzbühel) bei den Marktanteilen (ab 12 Jahre) erstmals Puls 4 als größten Privatsender des Landes ablösen.

Streit im Schrebergarten

Von der künftigen Regierung wünscht sich Groiss-Horowitz, dass der medienpolitische Diskurs fortgeführt wird. „Lasst uns doch die tatsächliche Bedrohung in Österreich erkennen und uns nicht gegenseitig im Schrebergarten sekkieren.“ Die wahren Konkurrenten wären im Silicon Valley.

Wann Puls 24 zum Erfolg wird? Die Puls 4-Chefin nimmt sich Zeit, bevor sie antwortet: „Wenn wir merken, dass wir mit diesem Produkt relevant sein können. Auch haben wir den Anspruch, der erfolgreichste in Österreich empfangbare Nachrichtensender zu sein.“

Einen Vorgeschmack auf die angesprochene Schrebergarten-Mentalität lieferte jüngst die Fellner-Gruppe: In „Österreich“ und „Oe24“ verschwand die Puls 4-Programmliste aus dem Fernsehprogramm. Ein Zusammenhang mit dem Start von Puls 24 – direkter Konkurrent zu Wolfgang Fellners oe24.tv, – liegt nahe.