Der Auftakt war maßgeschneidert, vor allem auch, was das Wetter betraf – Cornwall eben: Mit „Stürmische Begegnungen“ wurde im Oktober 1993 im ORF und ZDF eine Erfolgsgeschichte eingeläutet, die bis heute anhält. Nur wenige Produktionen können im linearen Fernsehen auf eine solch lange Dauer verweisen und gleichzeitig auch noch Quotenerfolge einfahren: Rosamunde Pilcher war und ist eine Quotenqueen, die vor allem in Deutschland und Österreich im Romantik-Sektor uneingeschränkt regieren kann. Allein im Vorjahr haben fast drei Millionen Österreicherinnen und Österreicher zumindest einmal kurz einen Rosamunde-Pilcher-Film gesehen, so der ORF auf Nachfrage. Das sind immerhin fast 40 Prozent der heimischen TV-Konsumenten. Selbst die Wiederholungen können zum Teil mit bis zu 500.000 Zuseherinnen und Zusehern aufwarten. Das Allzeithoch fuhr man im ORF im Oktober 1995 ein: 1,296 Millionen schalteten damals ein. So viele Menschen setzen sich heute nur vor den Fernseher, wenn die Skifahrer sich in Kitzbühel den Hahnenkamm runter mühen.
Rund 170 Produktionen sind seit den 1990er-Jahren erschienen, der Tod der Autorin im Februar 2019 hat am steten Fluss der Geschichten nichts geändert. Noch heute werden jährlich zwei bis drei Produktionen vom ZDF realisiert, die dann auch vom ORF übernommen werden. Zurückgegriffen wird längst auf ein schier unerschöpfliches Potenzial aus Kurzgeschichten und Notizen der Autorin, die ihren Durchbruch erst im Alter von 60 Jahren feierte.
Der deutsch-britische TV-Produzent Michael Smeaton hatte vor 30 Jahren den richtigen Riecher und produziert nach wie vor die Filme, deren Grundgerüst immer ähnlich ist – was den Erfolg letztlich auch ausmacht. Es funkt, meist ordentlich, aber es dauert, bis der Flächenbrand ausbricht. Bisweilen kommt gerne die eine oder andere Intrige dazwischen oder familiäre Reibereien, nicht selten sind diverse Landadelige knapp bei Kassa, aber dafür sind die Manieren top. Bis zum gesicherten Happy End geht man viel und oft spazieren, fährt mit Oldtimern durch die Gegend – gerne auch als Einstiegssequenz mit Blechschadenunfall, überstürztes Kennenlernen de luxe. Nach all den Liebeswirren ist eines gesichert: das Happy End.
„Leser werden gerne mit einem Gefühl der Hoffnung entlassen, mit dem Gefühl, dass es besser wird“, hat Rosamunde Pilcher einmal gesagt und das scheint eine Form von Allgemeingültigkeit zu besitzen, die keine Frage von Generationen zu sein scheint. Was Rosamunde Pilcher für ZDF und ORF ist, ist Julia Quinn für Netflix. Mit ihrer „Bridgerton“-Reihe beschert seit 2020 dem Streamer Rekordquoten. Die Dreharbeiten zur vierten Staffel haben dieser Tage begonnen.
Das Grundgerüst des Plots ähnelt jenem von Pilcher, auch wenn das Setting in der Regency-Ära angesiedelt ist: Da treffen zwei aufeinander, Amor trifft gut, aber die Umstände sind schlecht. Mehr noch: Zuerst kommt Zank, dann Hader, zuletzt die Liebe. „Enemies to Lovers“, Feinde, die zu Liebenden werden, heißt das Konzept, das seit Jahren am Buchmarkt erfolgreich ist. Netflix und Co. müssen also nur aufmerksam die #BookTok-Charts beobachten. Amazon Prime hat im Vorjahr bei der Autorin Mona Kasten zugeschlagen: Die erste Staffel der deutschen Serie „Maxton Hall“ wurde international zum Serienhit. Deutsche Schauspieler im britischen Setting, das kennt man von Pilcher.