Nein, es sollte keinesfalls nochmals „Paranoia TV“ werden. Der steirische herbst, im Vorjahr erfolgreich durchdigitalisiert, „wagt sich diesmal radikal nach draußen“, verspricht Intendantin Ekaterina Degot: „Heraus aus dem Lockdown und der Heimsituation, aber auch heraus aus der sicheren institutionellen Blase.“

„The Way Out“ ist demgemäß auch der Titel des Festivals, das heuer schon am 9. September beginnt, bis 10. Oktober dauert und in Graz und in der Steiermark üppig Präsenz im öffentlichen Raum zeigen will. Die Stadt soll Bühne werden und Partizipation ein Leitmotiv: Degot will sich mit der Kunst „auf das neue Abenteuer des Alltags einlassen“, dabei „das Alltägliche infiltrieren“, aber auch „die Freiheit, deren Grenzen, Limitierungen und Kontrolle“ erkunden.

Wie immer wird das Programm erst kurz vor dem Festivalstart im September präsentiert, wie immer  verrieten Degot und ihr kuratorisches Team aber bereits Details der Besetzung: Marinella Senatore, „Community Whisperer“ der Gegenwartskunst,  wie das Fachmagazin Artnet schreibt, eröffnet den herbst mit einer Lichtinstallation im öffentlichen Raum. Der wird dann auch in den ersten zehn herbst-Tagen Schauplatz groß angelegter Interventionsprojekte: etwa von Sophia Brous,  Flo Kasearu, Tino Seghal, Uriel Barthélémi.

Documenta XIV-Teilnehmer Hiwa K lädt auf einem offenen Küchenwagen zum „Kochen mit Mama“ und dabei zur Auseinandersetzung mit nahen, aber weit entfernten Verwandten. In Maria Lankowitz, Deutschlandsberg und Weiz setzt sich Regisseur Felix Hafner in einem partizipativen Theaterprojekt mit den Protestkulturen unserer Zeit auseinander, Dejan Kaludjerovic vertont Interviews mit Teenagern zum gesellschaftspolitischen Opernpanorama und Phil Collins (nicht der!) bringt Reggae und Politik in Grazer Grätzln – auch in Hommage an den im steirischen herbst 1996 abgehaltenen „All Fruits Ripe Soundbash“ zur jamaikanischen Dancehall-Kultur.

Überhaupt docken Degot und ihr Team mit der aktuellen Festivalausgabe einmal mehr an vergangene an: Reverend Billy, Star des „Truth  is concrete“-herbst 2012, kehrt heuer wieder. Und Horst Gerhard Haberl, maßgeblicher herbst-Intendant der 1990er-Jahre, beteiligt sich, wie auch Rosemarie Trockel und Hans Haacke, an einer Plakataktion im öffentlichen Raum.

Indoor werden im Orpheum werden drei Bühnenstücke von Hito Steyerl und Mark Waschke, Ziga Divja und Yael Bartana uraufgeführt. Schon als Prolog gibt’s einen rustikalen Schwank von den Rabtaldirndln: „Betonfieber“ befasst sich ab 26. Juni mit Immospekulanten auf dem Dorfe. Lokale Stärke zeigt dann auch die herbst-Finissage: das Theater im Bahnhof lädt am 10. Oktober zu Fetzenmarkt und TV-Gala „Bares für Wahres“. Bis dahin gibt es Diskursprogramm im Forum Stadtpark, unkonventionelle Pandemieandachten beim Literaturfestival „Out of Joint“, das Musikprotokoll und Parallelprogramm mit Partnern von esc medien kunst labor bis UniT. Details dazu folgen aber erst im September.

steirischer herbst 2021: 9. September bis 10. Oktober.
www.steirischerherbst.at