Was hätten Sie lieber? Die "Mona Lisa" oder doch eine blinkende fliegende Katze, die Sie mit einem Mausklick gratis bei giphy.com herunterholen können? Schlechter Vergleich? Mitnichten. Die Kunstwelt ist im Wandel. Konkreter: Der Handel mit Kunst ist im Wandel. Natürlich sind sie nicht vorbei, die angespannten Sekunden in Auktionshäusern, wo Kunstverkäufe in Millionenhöhe unter großem Beifall in elegantem Ambiente über die Bühne gehen. Doch es geht auch anders und eines der größten Auktionshäuser der Welt ist hier Vorreiter: Christie's. Gestern wurde in London für 58 Millionen Euro ein digitales Kunstwerk verkauft, das sogar den Künstler leicht verwirrt zurückgelassen hat.

"Es ist so verrückt", so die Reaktion des 39-jährigen US-Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple. Über 13 Jahre hat er am digitalen Kunstwerk "Everydays - The First 5000 Days" gearbeitet: in Summe eine gigantische Aneinanderreihung von 5000 Einzelbildern. Jedes für sich ein eher wertloses Ausprobieren eines Mediengestalters, der seine Fortschritte öffentlich machte und sich über die Jahre eine treue Fangemeinde erwirtschaftete. In Summe ein Pixelmonster der Extraklasse, dessen Mindestgebot bei 100 Dollar lag - am Ende sind es fast 70 Millionen Dollar geworden. Überwiesen wird übrigens weder in Dollar noch in Euro, sondern in der Kryptowährung "Ethereum".

Mike Winkelmann alias Beeple
Mike Winkelmann alias Beeple © (c) AFP (SCOTT WINKELMANN)

Doch woher rührt gerade jetzt das überbordende Interesse an digitaler Kunst, die sich so fundamental von dem unterscheidet, was bisher in der Kunstwelt State of the Art war? Dass das auf den Kopf stellt, was in der Kunst einer der wichtigsten Gradmesser war: das Original. Um noch einmal die "Mona Lisa" von Leonardo  da Vinci zu bemühen: Auch wenn ihre digitalen Abbilder milliardenfach im Netz zu finden sind, am Original und somit auch am monetären Wert gibt es keine Zweifel. Fälscher hätten einen ziemlich schweren Stand, denn jeder weiß, wo das Prunkstück hängt: im Louvre. Ganz anders hingegen verhält es sich bisher mit der digitalen Kunst: Das Original unterscheidet sich von der Kopie keinen Deut, wird ebenfalls milliardenfach geteilt. Doch es ist die Technologie, die hier nun einen Paradigmenwechsel eingeleitet hat: Auch digitale Kunst kann nun zum Original werden - dank eines "Non-Fungible Token" (NFT). Eine Art digitaler Originalstempel, mit dem auch ein fluides digitales Kunstwerk unverrückbar einem Besitzer zugeordnet werden kann. Dank Blockchain-Technologie wird das Kunstwerk so authentifiziert. Also ein echter Gamechanger in der Kunstwelt.

Dass die Kryptokunst nun so fröhliche Urständ feiert, ist nicht zuletzt Corona zu verdanken. Krypokunst ist eine gigantische Spielwiese, die für risikofreudige Investoren und Liebhaber von Hypes die wohl perfekteste Aussicht bietet: Alles ist möglich. Stichwort "Nyan Cat", die eingangs erwähnte Katze mit Regenbogenschweif wurde erst unlängst für 300 Ether, als rund 483.000 Euro verkauft. Kunsthistorikern steigt ob der Preisgestaltung fernab aller kunsthistorischen Kriterien wohl die Schamesröte ins Gesicht. Dass die ersten schon am Beginn des Hypes die platzende Blase am Ende des Wahnsinns sehen, ist wohl nicht nur pure Fantasie. Gehandelt wird übrigens auch auf digitalen Plattformen wie etwa "Nifty Gateway".

Wie im wahrsten Sinne des Wortes der Hype schon aufgeheizt ist, zeigt eine Aktion der Gruppe „Injective Protocol“, die Werbung für die digitale Kunst macht - mit eher ungewöhnlichen Mitteln. Eine Art Crashkurs für jene, die noch an realer Kunst hängen. Die Gruppe hat einen echten Banksy um rund 95.000 Dollar in einer Galerie gekauft und es in Brand gesteckt. Wer jetzt um das Original trauert, ist selbst schuld - in seiner digitalen Form ist es nun dank NTF ein Original mit Vermögenswert, das man käuflich erwerben kann. Eine Werteverschiebung der etwas anderen Art mit (nach oben hin) offenem Ende.