Konkret handelt es sich um zwei überdimensionale Kugeln, eine mit sieben, die andere mit mehr als zehn Metern Durchmesser, die in schwindelerregender Höhe im Mittelschiff der Kirche zu schweben scheinen. Je zur Hälfte transparent beziehungsweise mit einer spiegelnden Oberfläche überzogen, kann sich der Betrachter nicht nur selbst beobachten, sondern ohne weite Wege zu gehen in allerlei Winkel der Kirche vordringen. Die Befestigungen sind kaum wahrzunehmen, was den schwerelosen Charakter der Objekte noch unterstreicht.

"Aerocene" ist das erste Vorhaben der Reihe Karlskirche Contemporary Arts, das vom Verein der Freunde und Gönner der Kirche in Auftrag gegeben wurde. Kurator Moritz Stipsicz zeigte sich sehr erfreut, "dieses Projekt zu eröffnen, an dem wir so lange gearbeitet haben". Für ein Jahr ist Saracenos Arbeit nun zu sehen, danach sollen in regelmäßigen Abständen weitere Installationen folgen. "Es gibt nur wenige Projekte in dieser Dimension in einer europäischen Kirche", verwies Stipsicz auf die Verbindung von religiösem Ort und zeitgenössischer Kunst.

Saraceno bringt - wie schon bei seiner Soloschau 2015 im Belvedere 21 - noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: die wissenschaftliche Perspektive. Jedenfalls sind ihm Fragen von Transport, Umweltverschmutzung und öffentlicher Teilhabe enorm wichtig. "Wie können wir Korridore schaffen, die frei von fossilen Brennstoffen sind?", fragte er. Ähnlich gestaltete Kugeln wie jene in der Karlskirche lässt er normalerweise unter freiem Himmel steigen - in die Lüfte gehoben durch die Erwärmung der Luft im Inneren. "Sie fliegen normalerweise bis zu 800 Kilometer. Da ist es dann nur eine Frage des Windes, wo sie landen."

Selbst in der Nacht reicht die Erdwärme oft aus, um die Gebilde in der Luft zu halten. Für Saraceno definitiv eine Möglichkeit, um sich vom herkömmlichen Flugbetrieb zu verabschieden. "Ich bin einfach neugierig, wie so eine Zukunft aussehen könnte", betonte der Künstler. Bei seinen Aktionen im Freien habe er viele Hindernisse zu überwinden - Stichworte wie Erlaubnis oder Versicherung fallen -, aber: "Wir stellen uns die Luft immer als sauber, transparent und pur vor. Aber das sollten wir wohl noch mal überdenken."

Dass sein künstlerisch-wissenschaftlicher Ansatz nun in einer Kirche Platz habe, fand er ganz passend. "Wir alle arbeiten zusammen, obwohl wir aus unterschiedlichen Gemeinschaften kommen, Ideen und Glaube sich unterscheiden können." Er habe jedenfalls auf den vorhandenen Raum hervorragend reagiert, lobte Stipsicz den Künstler. "Hier ist es enorm wichtig, architektonisch zu denken und mit diesem Volumen umgehen zu können." Der Blick der Besucher wandert nun jedenfalls nicht nur aufgrund der ohnehin mächtigen und eindrucksvoll gestalteten Kuppel der Karlskirche nach oben.

(S E R V I C E - Ausstellung "Aerocene" von Tomas Saraceno im Rahmen von Karlskirche Contemporary Arts, Karlskirche, 1040 Wien, Kreuzherrengasse 1; ; )