Es gibt Raffael und Raffael - auch wenn beide auf der Google-Ergebnisliste um die besten Plätze rittern, so kann der brasilianische Fußballspieler von Borussia Dortmund wohl nicht ganz mit DEM Raffael mithalten. Letzterer spielt immerhin schon mehr als 500 Jahre in der Champions League der Kunst mit. Und dass er noch immer ein Superstar ist, zeigt sich schon allein in seiner öffentlichen Präsenz: Raffael ist in Wien so gut plakatiert wie ein Popstar. Dass Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder - dem große Kapazunder im Haus nicht unbekannt sind - noch eines drauflegt und von „einer Sternstunde in der Albertina“ spricht, ist tatsächlich nicht übertrieben.

Fünf Jahre lang hat Kurator Achim Gnann an der Konzeption der Ausstellung gearbeitet, die rund 130 Zeichnungen und 18 Gemälde umfasst. Darunter hochkarätige Leihgaben aus dem Ashmolean Museum in Oxford, dem Louvre oder den Uffizien. Herausgekommen ist eine Werkschau, die vor allem den Arbeitsprozess des Meisters der Hochrenaissance (geboren 1483) ins Zentrum stellt - von der ersten Skizze bis zum fertigen Gemälde. Abgebildet werden die wichtigsten Schaffensperioden des Italieners, der mit nur 37 Jahren gestorben ist.

Raffael, ein Perfektionist, der von den besten seiner Zeit - Leonardo da Vinci und Michelangelo - gelernt hat: „Raffael zeigte sich offen für künstlerische Einflüsse“, so Gnann. Aber das war nur das Fundament, Raffael entwickelte daraus seinen ganz eigenen Stil. Die Natur als Vorbild, aber das Ideal der Antike als korrigierender Maßstab.

Raffael, Selbstporträtaus dem Jahr 1506
Raffael, Selbstporträtaus dem Jahr 1506 © Gallerie degli Uffizi, Florenz, Cabinetto Fotografico delle Gallerie degli Uffizi

Schon die kleinste Vorskizze lässt da erahnen, wie sich Raffael das Endergebnis so vorgestellt haben mag: „Raffael war ein wahnsinnig ökonomischer Zeichner, der große Emotionen mit nur wenigen Strichen umsetzen konnte“, erklärt Kurator Gnann, während man als Ausstellungsbesucher meist nur darüber staunen kann. Gerade auch, weil man selbst im direkten Vergleich seine eigenen Fähigkeiten mit Stift und Papier umzugehen, kennt.

Der Italiener, der in Umbrien, Florenz und zuletzt in Rom tätig war, hat sich Schritt für Schritt seinen Modellen genähert, in den meisten Fällen sogar am realen Menschen: Wie ein Chirurg, der sich seinen Figuren mit höchster Präzision und Akribie annähert, aber sie trotzdem mit einer ganz eigenen Art der Zärtlichkeit in der Abbildung in die Welt entlässt.

Madonnenstudie, 1506 bis 1507, Feder in Braun und Rötel
Madonnenstudie, 1506 bis 1507, Feder in Braun und Rötel © Albertina, Wien

Eine Zärtlichkeit, die auch bei seinen Madonnen-Bildnissen, die im Oeuvre des Künstlers eine zentrale Stellung einnehmen, besonders sichtbar wird: Die Vertrautheit zwischen Mutter und Kind, diese Privatheit, in der das Jesuskind mehr Kind denn Gottes Sohn ist, spiegelt auch den Aufbruchsgedanken der Renaissance wider.

Nicht zuletzt aus diesem Grund war Raffael ein mehr als viel beschäftigter Mann: Er arbeitete für Fürsten und Päpste, befasste sich mit der Gestaltung der päpstlichen Privatgemächer im Vatikanspalast und wurde später sogar zum Leiter des Neubaus von Sankt Peter und zum Baumeister des päpstlichen Palastes bestimmt.

Porträt des römischen Bankiers Bindo Altoviti, rund 1514 bis 1515
Porträt des römischen Bankiers Bindo Altoviti, rund 1514 bis 1515 © National Gallery of Art, Washington

Unter den Gemälden ist auch ein Bild, das sich einer besonderen Strahlkraft rühmen darf: Die „Madonna dell' Impannata“ aus dem Palazzo Pitti, wurde mit Unterstützung der Albertina restauriert - und es wurde Licht: Das Bild ist der Mittelpunkt dieses Ausstellungsraumes, der - wie der Rest der Räume farblich zwischen Blau (wie der Mantel der Madonna) und Rot (wie jenes des Granatapfels) wechselt. Der Auftraggeber des Gemäldes war übrigens niemand Geringerer als der römische Bankier Bindo Altoviti, dessen Porträt die Plakate und den umfassenden Katalog ziert. Ein Bild, das nicht nur Selfie-Fetischisten in Verzückung versetzt: Selbstbewusst, aber nicht arrogant, leicht melancholisch, aber mit einem Hauch Optimismus. Damals wie heute zeigt sich die Essenz eines Porträts: sich von seiner besten Seite zu zeigen - das ist meisterhaft gelungen.