Die Vienna Design Week hat ihr Quartier heuer in Rudolfsheim-Fünfhaus aufgeschlagen, einem Bezirk, der sich schneller gentrifiziere als sein Schatten, scherzte Direktorin Lilli Hollein bei der Pressesafari am Donnerstag. Um dem zweigeteilten Bezirk gerecht zu werden, wurden zwei Festivalzentralen bezogen, eine im historischen Süden in der von Johann Georg Gsteu in den 1970er-Jahren umgestalteten, ehemaligen Zentralsparkasse am Sparkassaplatz, und eine im Blauen Haus am Westbahnhof, das bald einem City Ikea weichen wird.

In dieser "Festivalzentrale Nord" am Europaplatz wird das diesjährige Gastland Rumänien in zwei Ausstellungen präsentiert: Die Ausstellung "The Answering Machine" läuft auf der Programmschiene "Debüt", die den Blick auf Ausbildungsstätten im In- und Ausland richtet, und ist ein Beitrag der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Polytechnischen Universität Timisoara. Die Ausstellung thematisiert Rumänien als Auswanderungsland: 17 Prozent aller Rumänen leben im Ausland, das Land habe somit die zweitgrößte Diaspora nach Syrien, erklärten Oana Simionesco und Cristian Blidariu vom Kuratorenteam der APA.

Darunter sind auch viele Absolventen der Fakultät für Architektur und Stadtplanung. Ihre Lebenswege kann man auf einem großen Tisch nachverfolgen: 18,8 Prozent von ihnen leben und arbeiten im Ausland, für die meisten beginnt die Emigration mit einem "Erasmus+"-Aufenthalt. Die Destinationen sind auf einer Europakarte eingezeichnet: Deutschland und Österreich gehören konstant zu den Zielländern, Frankreich und Spanien haben an Bedeutung gewonnen. "Unsere Absolventen hinterlassen ihre Spuren in ganz Europa", so die Kuratoren.

"Als junger Designer in Rumänien zu starten, ist ziemlich schwierig", berichtete auch Andrei Georgescu von Mesteshukar ButiQ. "Erst seit 27 Jahren gibt es einen freien Markt." Deshalb arbeitet er mit Zerunian and Weisz, einer österreichischen Designergruppe zusammen. Wien als regionales Zentrum sei für ihn der beste Platz, den westlichen Markt zu erschließen. Georgescu hat mit Mesteshukar ButiQ ein Netzwerk von 30 Handwerkern der Roma-Community aufgebaut, das alte Techniken mit neuem Design kombiniert. Das Handwerk sei ein essenzieller Bestandteil der Roma-Kultur, so der Designer. Die handwerklichen Traditionen wiederzubeleben, bedeute somit auch, die kulturelle Identität der Menschen zu stärken. Mesteshukar ButiQ führt seit zweieinhalb Jahren einen Shop in Bukarest, der immer besser laufe. "Die Produkte müssen gut sein, die Rumänen kaufen nicht nur wegen der Story", erklärte Georgescu.

Trinkbecher und Essbesteck, Schemel und Körbe von Mesteshukar ButiQ werden im Blauen Haus in der Ausstellung "Threads of Tradition" gezeigt, die verschiedene Ansätze für zeitgenössische Interpretationen von rumänischem Handwerk vereint, darunter auch die rauen Schalen der "Chamotte Series" von Ruxandra Sacalis. Die warmen Farben und natürlichen Oberflächen bilden einen Kontrast zu den glatten Exponaten in den Ausstellungsräumen von Rado. Der Schweizer Uhrenhersteller ist ein langjähriger Partner der Vienna Design Week und lanciert dieses Jahr seine "Rado True Limited Editions", die in Zusammenarbeit mit führenden Designern entstanden ist.

Die Vienna Design Week wagt den Spagat zwischen Handwerk und Highend und will mit über 190 Veranstaltungen aus den Bereichen Architektur, Grafik-, Produkt-, Möbel-, Industrie-, Experimentelles- und Social Design ihrem Anspruch gerecht werden, "ganz Wien zum Schauraum für Design" zu machen. Um die unterschiedlichsten Aspekte der Produktkultur zu beleuchten, kooperiert das Festival mit zahlreichen Programmpartnern, die sich mit temporären Beiträgen präsentieren, darunter Unternehmen, Designbüros, Galerien und Institutionen wie die Kunsthalle Wien, das Museum für angewandte Kunst (MAK) oder das Hofmobiliendepot.

Lokalkolorit revisited verspricht zum Beispiel die Ausstellung "Is ma wuarscht: Wiener Würstelstand neu gedacht": Programmpartner Heimat Wien, die "Agentur für Veränderung", zeigt in der Zirkusgasse im 2. Bezirk ausgewählte Entwürfe, mit denen diese gastronomische Einrichtung unter Berücksichtigung der architektonischen, kulturellen und sozialen Entwicklungen neu interpretieren.

Zu den bekannten Programmschienen der Vienna Design Week gehören die "Passionswege", die Wiener Unternehmen mit österreichischen und internationalen Designschaffenden zusammenführen, oder die "Stadtarbeit", bei der Social Design-Projekte realisiert werden. In welchen Funktionen das Vienna Design Office während des Jahres auftritt, wird im neuen Format "Spezial" gezeigt. Denn das Motto lautet: "Design all the time".