Wie ein schützender Raum umgibt die Wall von Sol LeWitt das filigrane Geflecht aus Metallstäben und Steinen. Schon der bloße Anblick lässt einen angenehm verwirrt zurück. Wie um alles in der Welt kommt diese scheinbare Leichtigkeit in diese Skulptur? Wo bleibt hier die Erdanziehung kraft bei dieser Arbeit, die natürlich nicht zufällig „Superheavy Skies“ (2023) heißt. Alicja Kwade ist derzeit wohl eine der gefragtesten Bildhauerinnen der Welt. Dass vier ihrer Werke – die sie gemeinsam mit Kunsthaus-Chefkuratorin Katrin Bucher Trantow ausgewählt hat – im Grazer Kunsthaus zu sehen sind, darf man durchaus als eine kleine Sensation werten.

Kwades künstlerischer Ansatz scheint bisweilen dem ehernen Gesetz des Wunderlandes entnommen: Nichts ist hier, wie es scheint. Sie spielt nicht nur mit der Unerschütterlichkeit naturwissenschaftlicher Thesen, sondern auch mit unserer Wahrnehmung und unserem Blick auf die Welt, der von diesem Wissen geprägt ist. Alicja Kwade durchbricht mit ihrer Kunst Selbstverständlichkeiten und Erwartungen. Sie zwingt uns zu neuen, anderen Blicken, stellt im Vorbeigehen unsere Denkmuster auf den Kopf. „Bei Alicja Kwade geht es im Grundsatz um philosophische und naturwissenschaftliche Fragestellungen, sie ist eine kategorisch Befragende. Hier bringt sie uns ganz spezifisch dazu, an der Perspektive von Zeit und Raum bei Sol LeWitt nachzudenken“, knüpft Bucher Trantow die Verbindung zwischen den Arbeiten der 45-Jährigen und der Mauer des US-Konzeptkünstlers.

„Wall“ wurde zum 20-Jahr-Jubiläum des Kunsthauses neuerlich aufgebaut, um die Haltbarkeit des Konzepts durch wechselnde Künstlerinnen und Künstler abzuklopfen. „Superheavy Skies“ und „Wall“ liefern sich Leichte und Schwere geradezu ein Ping-Pong-Spiel: Während die Wall trotz ihrer schlängelnden Bewegung von einer scheinbaren Schwere begleitet wird, so macht sie die Leichtbetonbauweise mit 40 Tonnen zum Leichtgewicht. Die schwingenden Steine hingegen haben ein enormes Gewicht, die scheinbare Leichtigkeit verdankt sie nur komplexen Berechnungen.