Am Ende verneigen sich die acht Darstellerinnen und Darsteller in der Videokonferenz, indem sie ihre Köpfe in den Bildschirmausschnitten ab Brusthöhe senken, und das 16-köpfige Publikum klatscht – einzeln vor Bücherregalen oder Couchpölstern – in die Webkameras. Digitale Premierenstimmung in Zeiten von Corona.

Die Wiener Performancetruppe Nesterval hat ihr immersives neues Stück „Der Kreisky-Test“ in einem rasanten Kraftakt ins Netz verlegt und nun online uraufgeführt. Wer seit ihrer Gründung 2011 einmal in leer stehenden Gebäuden oder deftigen Wirtshäusern in eine ihrer rätselhaften Welten eingetaucht ist, weiß, Mitmachen ist im Kosmos Nesterval keine leere Worthülse. Nun wird man vom „Host“ im Hintergrund von einem „Breakout“ ins nächste verschoben, das Mikrofon per Zauberhand von stumm auf laut gestellt und manchmal sind alle gleichzeitig am Bildschirm zu sehen und manchmal ist man nur zu zweit. Erste Erkenntnis: Die Gruppendynamik funktioniert analog besser, das Fiebern und Mitraten auch.

Zur fiktiven Handlung: Jonas Nesterval macht sich auf die Suche nach seiner verschollenen Mutter Gertrud, die angeblich im sozialistischen Umfeld Bruno Kreiskys tätig war. In Videoausschnitten taucht die Grande Dame auf. Nun will der Sohn das Erbe der Mutter antreten und sucht sozialistische Mitstreiter. Das Publikum testet die Darsteller auf Herz, Nieren und Gesinnung. Die Gretchenfragen lauten u.a.: „Würden Sie aus strategischen Gründen eine rechte Partei wählen? Sich nackt ausziehen, um ihren Schulden zu entgehen?“

Bildschirm statt Bühne: so sieht die Nesterval-Produktion aus
Bildschirm statt Bühne: so sieht die Nesterval-Produktion aus © Rita Brandneulinger

Keine Frage: 90 anregende, kluge Minuten – die analoge Fortsetzung folgt im Herbst. Vorfreude!