Wieder geht es um Care-Arbeit, also das Sich-Kümmern um Familie, Kinder, Haushalt und Pflege, für die Frauen zuständig scheinen: „Das Patriarchat kann sich darauf verlassen, wann immer irgendwo ein Kind oder eine alte Person umfällt, kommt eine Frau und hebt es auf.“ Doch diesmal ist es nicht die Erschöpfung einer einzelnen Frau, die nicht mehr mitmachen will. Diesmal sind es viele. Sie legen sich im stillen Protest auf die Straße vor einem Krankenhaus, lassen die Zufahrt frei, kleben sich zwar nicht an, doch sie verweigern sich dem, was von den Männern als ihre Aufgabe gesehen wird. Bald eskaliert die Situation.

Ausgehend von Iris, einer ausgebildeten Ärztin und Mutter, die aber nur als Ordinationshilfe für ihren Mann arbeiten darf, ihrer Enkelin Elin, einer gelangweilten Influencerin, sowie deren Tante Ruth, selbstlose Krankenschwester und Mutter eines bereits verstorbenen behinderten Sohnes, entwickelt sich die Protestaktion zu einer gesellschaftlichen Revolte. Elin hat Oma und Tante zuvor gar nicht gekannt, weil ihre Mutter, die selbstbewusste und alleinstehende Unternehmerin Alma, ihr mit einem alternativen Familienmodell beweisen wollte, dass sich Frauen nicht in weibliche Rollenklischees fügen müssen, so wie es Iris und Ruth getan haben. Es sind die Stimmen von Elin, Ruth und Nuri, einem sensiblen Neunzehnjährigen, der „keinen Vorstellungen von Männlichkeit entsprechen will“, die abwechselnd die Geschichte erzählen. Die ist eine der Selbstermächtigung von Frauen, aber vor allem auch harte Anklage gegen ein implodierendes Pflege- und Gesundheitssystem.

Mareike Fallwickl. Und alle so still. Rowohlt. 368 Seiten, 23,70 Euro. Ab 16. April.
Mareike Fallwickl. Und alle so still. Rowohlt. 368 Seiten, 23,70 Euro. Ab 16. April. © KK

Nicht nur um die Zumutungen, Frau zu sein, geht es der Autorin in ihrem teils poetisch, teils zornig erzählten feministischen Roman (ab Dienstag im Handel). Es geht auch um Zugehörigkeit und Zärtlichkeit, die sich innerhalb der widerständigen Protestierenden entwickeln. Unter ihnen ist auch Lola wiederzufinden, die fünfzehnjährige Tochter aus „Die Wut, die bleibt“, die sich mit Mitgliedern ihrer Mädchen-Gang ebenfalls auf die Straße legt: „Wir bleiben. Wir fordern den Raum ein, der uns zusteht.“ Fast utopisch wirkt die paradiesische Harmonie, in der sich die Frauen schließlich organisieren. Aber träumen werden Feministinnen und Feministen wohl noch dürfen!