Der jüdische Komponist Joseph Beer, geboren 1908 in Gródek bei Lemberg in der Ukraine, gestorben 1987 in Nizza
Der jüdische Komponist Joseph Beer, geboren 1908 in Gródek bei Lemberg in der Ukraine, gestorben 1987 in Nizza © KK

Sein Vater? In Auschwitz ermordet. Seine Schwester? In Auschwitz ermordet. Sein Librettist Fritz Löhner-Beda? In Auschwitz ermordet. 1943 wacht Joseph Beer in einem seiner Verstecke in Frankreich schweißgebadet aus einem Albtraum auf, in dem seine Mutter zu ihm sprach. Nach dem Krieg musste er erfahren: Auch sie, genau an diesem Tag, in Auschwitz ermordet...

Kein Wunder, dass der Komponist sich von diesen Traumata nie mehr wirklich erholte. Zwar hatte der Exilant noch die Kraft gehabt, unter dem Decknamen Jean-Joseph Bérard in Paris und Nizza ohne Hilfe eines Klaviers diverse Orchesterstücke oder seine Commedia dell’Arte-Oper „Stradella in Venedig“ zu schreiben, eine Hommage an den italienischen Barockkomponisten. Aber Beer lehnte nach dem Ende der Kriegswirren etliche Aufträge und Posten ab, verweigerte die Aufführungsrechte an seinen früheren Werken und lebte mit seiner Frau Hanna und den Töchtern Suzanne und Béatrice zurückgezogen vom Glanz der Bühnen an der Côte d’Azur. Bis zu seinem Tod 1987 allerdings sollte der gebürtige Ukrainer in seiner zweiten Heimat an der Neufassung seines Paradestücks weiterfeilen, dem die Nazis einen braunen Riegel vorgeschoben hatten.

Mit der „Polnischen Hochzeit“ hatte der in Wien ausgebildete Beer, Anfang der 30er-Jahre zu einem Senkrechtstarter der Operettenwelt geworden, eine echte Theaterperle vorgelegt. Das hell funkelnde Werk mit seinen frechen Einsprengseln von Folklore, Klezmer und Jazz à la Broadway wurde bei der Uraufführung 1937 in Zürich umjubelt, gleich danach in acht Sprachen übersetzt und auf 40 Bühnen gespielt.

Bannstrahl

Aber der Bannstrahl der Hakenkreuzler traf auch den Juden aus Gródek bei Lemberg. Die anlaufenden Proben zur Österreich-Premiere mit Richard Tauber 1938 im Theater an der Wien wurde nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten ebenso verhindert wie später die französische Erstaufführung mit Jan Kiepura und Marta Eggerth am Théâtre du Châtelet in Paris. So blieb der übermütigen Verwechslungskomödie ein nachhaltiger Erfolg verwehrt – außer in Skandinavien, wo man sie bis 1982 ohne Einverständnis Beers als „Masurkka“ liebend gern auf den Spielplan setzte.

Erst vor sieben Jahren stimmten Beers Töchter der österreichischen Erstaufführung der „Polnischen Hochzeit“ zu, sie erklang beim Wiener Operettensommer 2012. Und am Samstag, dem 8. Dezember, ist nun das allerste Mal in Graz zu erleben, wie der polnische Freiheitskämpfer Boleslav heimkehrt, um seine Jugendliebe Jadja zu heiraten, sich aber erst mithilfe einer reschen Gutsverwalterin gegen seinen hinterhältigen Onkel zur Wehr setzen muss, der ihm sowohl die Braut als auch sein rechtmäßiges Erbe streitig macht.

Wer die von Marius Burkert dirigierte und Sebastian Ritschel inszenierte Rarität versäumen sollte: Im März und April ist der lebenslustige Dreiakter auch am Linzer Landestheater zu sehen. Und Ulf Schirmer gelang mit dem Münchner Rundfunkorchester und sehr guten Solisten, darunter der steirische Bariton Mathias Hausmann, 2015 beim Label cpo eine Referenzaufnahme.