Ein Pianist ist ein zehnfingriges Orchester“, brachte es Hans von Bülow, selbst ein großer Klaviervirtouse des 19. Jahrhunderts, einmal sehr schön auf den Punkt. Eines der zehnfingrigen Paradeorchester unserer Zeit hörte vor ziemlich genau einem Jahrzehnt auf, öffentlich zu spielen. Sein Name: Alfred Brendel.

Seit einem Hörsturz 2012, durch den er auf dem rechten Ohr taub ist und just Klavierklänge nur noch verzerrt wahrnehmen kann, setzt sich der in London lebende Pianist gar nicht mehr an die Tasten. Was nicht heißt, dass er die Musik nicht weiterhin im kleinen und den restlichen neun Fingern hat. Denn der Herr mit der Runzelstirn und dem Schalk in den Augen, dessen Lieblingsbeschäftigung „Lachen“ ist, hat auch mit 87 immer noch den philosophischen Scharfblick auf die Welt und eine lange Terminliste für Vorträge und Seminare.

Und so kehrt Brendel morgen einmal mehr dorthin zurück, wo für ihn alles begann: nach Graz. Mit seinen Eltern war er als Zwölfjähriger von Kroatien in die steirische Landeshauptstadt übersiedelt, hier studierte er am Konservatorium bei Ludovika von Kaan und beim Organisten und Komponisten Artur Michl. Mit 17 Jahren gab Brendel sein erstes Konzert in Graz. Und blieb der Stadt immer verbunden.

Nun feiert die hiesige Kunstuniversität ihr Ehrenmitglied: Bei der „Hommage à Alfred Brendel“ vom 15. bis 17. November stehen im Florentinersaal Vorträge, Diskussionen und ausgesuchte musikalische Programme auf dem Plan. Die Laudatio hält der Cambridge-Professor und Chopin-Spezialist John Rink. Der Gefeierte selbst referiert zum Thema „Mozart spielen“, lädt zu einer öffentlichen Masterclass mit dem Hensel Streichquartett und ist mit Harald Haslmayr im Literarischen Duett zu erleben.

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alfredbrendel.com

CD-TIPP: Alfred Brendel. Complete Philips Recordings. 114-CD-Box Decca (2015).