RIDERS OF JUSTICE

Bewertung: ****

Zufälle fordern uns Menschen heraus, besonders die negativen. Auch der dänische Elitesoldat Markus (Mads Mikkelsen) und seine Teenagertochter Mathilde suchen verzweifelt nach Erklärungen, als die Frau und Mutter bei einem Ubahn-Unglück stirbt. Überlebt hat dagegen Otto, ein Versicherungsmathematiker, der nicht an einen Zufall glaubt. Viel wahrscheinlicher ist, dass ein Kronzeuge im Prozess gegen eine Rocker-Gang beseitigt werden sollte. Zusammen mit ihm und seinen beiden Nerd-Freunden Lennart und Emmenthaler will Markus Gerechtigkeit - oder zumindest Rache nehmen. Ob das die Frage nach dem Warum beantwortet? Anders Thomas Jensens „Riders of Justice“ ist eine intelligente, schwarze Komödie mit herrlich-verrücktem Humor und zugleich ein schonungsloser Film über Trauer und Sinnsuche, mit einigen brutalen Actionszenen. Wirklich brutal ist aber die Zufälligkeit des Lebens. Und dagegen helfen auch keine Maschinengewehre. (mw)

BERGMAN ISLAND

Bewertung: ****

An einem stürmischen Tag im April 1960 soll sich der schwedische Filmemacher Ingmar Bergman (1918 – 2007) verliebt haben. Und diese Liebe hielt allen Widrigkeiten zum Trotz bis zu seinem Lebensende. Bei fünf Ehen, neun Kindern von sechs Frauen und zig Affären keine Selbstverständlichkeit. Die Rede ist von der windgepeitschten schwedischen Ostseeinsel Fårö. Dort drehte der schonungslose Seelenaufwühler einige seiner berühmtesten Filme wie „Szenen einer Ehe“.
Dort hat auch die französische Filmemacherin Mia Hansen-Løve („Eden“, „Alles was kommt“) ihren neuen, in Cannes uraufgeführten und soeben bei der Viennale von ihr persönlich präsentierten Film „Bergman Island“ angesiedelt. In ihrem Drama reist ein Liebespaar, beide sind Filmschaffende, einen Sommer lang nach Fårö, um sich von dieser Umgebung inspirieren zu lassen. Während Tony (Tim Roth) rund 20 Jahre älter als sie und bereits ein gefeierter Regisseur ist, der zu Vorträgen über Bergman geladen wird, hadert Chris (Vicky Krieps) mit ihrem neuen Drehbuch und sich selbst. Die Spurensuche Bergmans mutiert bald zur eigenen Sinnsuche (js). Lesen Sie hier die gesamte Kritik

KLAMMER CHASING THE LINE

Bewertung: ***

Großes, heimisches Wohlfühl-Kino: Andreas Schmied („Love Machine“) hat die Tage rund um Franz Klammers Olympia-Fahrt auf dem Patscherkofel als Heldenepos und als hinreißende, soundgewaltige Hommage an die 1970er verfilmt. Eine Ära voller Kassettenrekorder, Zigarettenrauch, Schreibmaschinenrattern. „Klammer – Chasing the Line“ zeigt den Skistar als Zaudernden, der den Druck der Nation schultern muss. Wie es ausgeht, hat sich 1976 ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Getragen wird der Film eindrucksvoll von einem jungen Ensemble rund um Julian Waldner und Valerie Huber als Liebespaar Franz und Eva Klammer. Kritik am patriarchalen System und materialisierten Sport fällt abgesoftet aus. (js) Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

CONTRA

Bewertung: **

Die französische Tragikomödie „Die brillante Mademoiselle Naila“ galt 2018 ein Überraschungserfolg. Sönke Wortman („Der Vorname") liefert mit „Contra“ nun den deutschen Gegenentwurf. Christoph Maria Herbst schlüpft hier in die Rolle eines rassistischen Univeritätsprofessors mit 'softem' Kern, dem für sein Verhalten mit einer Entlassung gedroht wird. Um längerfristige Konsequenzen zu vermeiden, soll er eine Studentin mit marokkanischen Wurzeln (Nilam Farooq) auf einen Debattierwettbewerb vorbereiten. Ehrenwerte Ambitionen und solide Schauspielleistungen retten den Film leider nur bedingt. Zu sehr bedient die politisch inkorrekte Komödie altbackene Klischees und relativiert Alltagsrassismus unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. (pog)

MITGEFÜHL

Bewertung: ****

Kuchen und Sekt statt Medikamente und Krankheitsgespräche: Die dänische Filmemacherin Louise Detlefsen porträtiert das Demenzpflegeheim „Dagmarsminde“, in dem zwölf Bewohnerinnen und Bewohner wie in einer WG leben. Es ist ein Herzensprojekt von May Bjerre Eiby und ein revolutionäres Pflegekonzept. Der Blick der Filmemacherin auf die Protagonistinnen und Protagonisten ist empathisch, der Tod wird nicht ausgespart. Ein außergewöhnlich berührender Film und ein Plädoyer für würdevolles Altern. (js)

ZIMMER 212 - IN EINER MAGISCHEN STADT

Bewertung: ***

„Du und ich, wir müssen nachdenken.“ Worüber? Ob die Ehe von Maria (Chiara Mastroianni) und Richard (Benjamin Biolay) nach über 20 Jahren und einer Affäre noch Zukunft hat. Nach einem nächtlichen Streit zieht die untreue Jus-Professorin in das Zimmer 212 eines Hotels, das gegenüber der gemeinsamen Wohnung liegt – und begegnet dort den Geistern ihrer Vergangenheit. Nach und nach trifft sie auf verflossene Liebhaber und stellt sich die Frage, was gewesen wäre, wenn sie sich für ein anderes Leben entschieden hätte. In Woody-Allen-Manier malt Christophe Honoré („Sorry Angel“) eine surreale Beziehungskomödie über Verfehlungen, verpasste Chancen und die Macht der Liebe auf die Leinwand. (jb)