Jeder kennt wohl so ein Streithansl-Paar. Eines, das sich stetig vor allen ankeift, das Kleinigkeiten wie offen gelassene Zahnpastatuben und herumliegende Socken zu Monströsem aufbauscht und sich in fünf Jahrzehnten Ehe im gezielten Sticheln gegen das Gegenüber geübt hat.
Marianne und Günter sind zu so einem Ehepaar geworden. Routine hat sich nach mehr als 50 Jahren Ehe eingeschlichen, dazu jede Menge Trott und der eigene Frust übers Älterwerden, das schlechte Gehör und das eine oder andere körperliche Wehwehchen. Der alte Intellektuelle grantelt vor sich hin, die gut situierte Dame versucht, sich fit zu halten.
Regisseur Rainer Kaufmann („Und wer nimmt den Hund?“) und Drehbuchautor Martin Rauhaus gelingt mit „Weißt du noch?“ ein großartiges Kammerspiel übers Leben und Älterwerden, Leiden und Lieben, Erinnern und Loslassen. Das haben sie vor allem den beiden Schauspiel-Ikonen Senta Berger und Günther Maria Halmer zu verdanken. Sie verkörpern voller Hingabe, Grandezza und Selbstironie ein Paar, das im Prozess des gemeinsamen Lebens zwischen Einkaufen, Essen und Pension erstarrt ist und das, was sie einst verband, aus ihrem Alltag verbannt hat.

Das Gedächtnis ankurbeln

Kleine blaue Pillen, die Günter zum Hochzeitstag besorgt hat, sollen das ändern. Nein, kein Mittel gegen Erektionsstörungen, sondern solche, die das Gedächtnis wieder in Schwung bringen sollen. Die Pillen wirken. Der gehässige Ton in ihren Gesprächen wird weicher, sie hören alte Platten, tanzen, trinken Champagner, scherzen. Und sie reden plötzlich wieder liebevoll miteinander, berühren sich.

Originelle Idee, fantastisch umgesetzt und auf den Zeitraum eines Tages und einer Nacht fokussiert. Wie die Grande Dame Senta Berger gegen die Verkrustungen der Tristesse, gegen alte Wunden und Enttäuschungen ankämpft, ist grandioses Kino. Die Kamera bleibt nah an den beiden, Weichzeichner verdeutlichen die Erinnerungen an schöne Zeiten.
So ehrlich, schonungslos und komödiantisch hat noch selten jemand vom Miteinanderleben im Alter erzählt. „Weißt du noch?“ ist eine universelle Beziehungsgeschichte, indem sie Muster offenlegt. Und zeigt, wie ritualisiert Menschen, die sich nahe stehen, streiten und gezielt Giftpfeile ins Herz des anderen schießen.
Trist anzusehen ist das nicht. Die Tonalität ist – bei aller Tragik – von Optimismus, Humor und Zuversicht getragen. Davon, dass am Ende alles gut wird. Denn: Was haben die zwei vergessen? „Uns. Wir haben uns vergessen“, heißt es. Und glücklicherweise wiedergefunden.