Sie haben drei Optionen: nichts tun und vergeben, bleiben und kämpfen, oder aber gehen? Der Ausgang: ungewiss. Die Aussprache soll es weisen. Acht Frauen einer isolierten religiösen Kommune müssen entscheiden, wie es mit ihren Müttern, Freundinnen, Töchtern und ihnen weitergeht.
"Die Aussprache" basiert auf dem Roman "Women Talking" von Miriam Toews, dem eine wahre Geschichte zugrunde liegt. Zwischen 2005 und 2009 wurden in einer mennonitischen Gemeinde in Bolivien 100 Frauen von Männern nachts betäubt und vergewaltigt. Den Frauen erklärten die Täter, Dämonen hätten sie heimgesucht oder es handle sich um "wilde weibliche Fantasien". In der Realität flog der Missbrauch auf, acht Männer wurden verurteilt. Der Roman sowie der Film imaginieren einen anderen Prozess: eine spannende, politische, demokratisch und emanzipatorisch relevante Debatte unter den Frauen. Die kanadische Schauspielerin und Filmemacherin Sarah Polley legt mit diesem #MeToo-Thriller nach "Take This Waltz" oder "Stories We Tell" nach einem Jahrzehnt wieder einen Kinofilm vor: eine kluge, differenzierte und mit lauter Stars inszenierte Utopie über den Wert des Lebens.
In einer Scheune, die einem sakralen Raum gleicht, verhandeln drei Generationen von Frauen, wie mit sexualisierter Gewalt umgegangen wird. Ihre individuellen Haltungen und Gedanken spiegeln im Kleinen das große gesellschaftliche Ganze wider. Scarface (Frances McDormand, die mitproduzierte) hat zeitlebens so viel erduldet, dass Ausbrechen keine Option für sie ist. Salome (Claire Foy) ist zornig und würde sich gerne gewaltvoll rächen. Und Ona (Rooney Mara), die durch eine Vergewaltigung schwanger geworden ist, möchte ihr Leben als Mutter eigenverantwortlich leben – auch wenn das heißt, dass sie auf die Liebe eines guten Mannes (Ben Whishaw) verzichten muss. Daneben brillieren: Jessie Buckley als duldsame Frau, Judith Ivey als ältere moralische Instanz und Michelle McLeod und Kate Hallett vertreten die nächste Generation.

Die Größe der Debatte sieht man dem dichten Kammerspiel auch an: Kameramann Luc Montpellier drehte im historischen Scope-Format, das wir aus den Western der 1950er kennen. Diese Weite der Perspektive durchdringt die Enge der Scheune. Draußen toben Kinder in den Kornfeldern, drinnen verhandeln die Frauen. Polley inszeniert ein wuchtiges Heldinnenepos mit der Kraft der Worte. Eines, das bei den Oscars für den besten Film und das beste adaptierte Drehbuch nominiert ist – übrigens als einziger Film einer Frau.

Bewertung: *****