Verkündet sind sie heute worden, vergeben werden sie dann im Juni beim zweiten Teil der Berlinale. Vor Publikum und im Kino - so der Plan. Dass eines der größten Publikumsfestivals ohne Zuschauer auskommen muss, ist eine bittere Erkenntnis dieser Ausgabe. Dass ausgerechnet deutsche Wettbewerbsfilme wie Daniel Brühls Regiedebüt „Nebenan“ mit ihm selbst in der Hauptrolle oder Dominik Grafs Kästner-Verfilmung „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ mit Tom Schilling und Meret Becker offiziell nicht für Sichtungen zur Verfügung stehen, inoffiziell dann aber schon (zumindest für ausgewählte Medien) mutet ebenso absurd an. Lesen Sie hier Kritiken zu von uns gesichteten Filmen.

"Nebenan" von Daniel Brühl

Der Schauspielstar Daniel Brühl ("Rush - alles für den Sieg") verkörpert in seinem Regiedebüt den Schauspieler Daniel aus Berlin, der mit seiner nächsten Rolle in einem Superheldenfilm auf dem Sprung zum Hollywoodstar ist. Soweit so autobiografisch. Dieser schöne, erfolgreiche und überall beliebte Mann mit seiner Vorzeige-Familie in seiner luxuriösen Penthouse-Wohnung am Prenzlauer Berg soll zu einem Casting nach London fliegen. Weil noch ein bisschen Zeit ist, kehrt er zum letzten Textschliff in der Eckkneipe "Zur Brust" ein. Dort, wo der Kaffee noch aus der Filtermaschine rinnt und gar nichts hip ist.

Dort spricht ihn der biertrinkende Bruno (fantastisch: Peter Kurth) an und fragt nach einem Autogramm. Der frühere Stasi-Mann kennt sich erstaunlicherweise bestens in Daniels Leben aus. Und mit jeder Minute wird das Gespräch seltsamer und der bodenständige Bruno gefährlicher. Sitzen zwei an der Bar - und rollen ein prominentes Leben, deutsche Politik nach der Wende, persönliche Eitelkeiten und Abgründe sowie die Gentrifizierung Berlins auf. Beim Reden kommen diese beiden nicht zusammen, ihr Aufeinandertreffen mutiert zum Schlagabtausch.

Die Dialoge sind fein geschliffen, zeichnet doch Bestsellerautor Daniel Kehlmann für das Drehbuch verantwortlich. Ein herrlich geschwätziges Kammerspiel, das man sich auch wunderbar am Theater vorstellen kann. Die zwei unterschiedlichen Männer- und Schauspieltypen harmonieren in ihrer Disharmonie wunderbar. Ab herbst im Kino.

"Je suis Karl" von Christian Schwochow

Er läuft nicht im Wettbewerb, sondern in der Sparte Berlinale Special. Eine Ehre kann Christian Schwochows Drama "Je suis Karl" aber schon jetzt für sich verbuchen - jene als provokantesten Film dieser digitalen Festival-Ausgabe. Der Filmtitel bezieht sich auf die Parole „Je suis Charlie“, mit der Millionen Menschen in den sozialen Medien das Magazin „Charlie Hebdo“ nach einem Anschlag unterstützten, nachdem es von islamistischen Terroristen attackiert wurde. Charlie ist bekanntlich der Kosename von Charles, auf Deutsch Karl.

Es beginnt in der schicken Wohngegend Prenzlauer Berg, wo ein liberaler Familienvater (Milan Peschel) ein Paket für die betagte Nachbarin entgegennimmt. Die Tochter Maxi (Luna Wedler) ist soeben von ihrem Frankreich-Aufenthalt zurückgekommen. Als der Vater noch einmal zum Weinholen rausgeht, explodiert eine Bombe in seiner Wohnung. Seine Frau und die kleinen Zwillinge sterben. Maxi überlebt, weil sie sich gleich wieder rausgeschlichen hat. Dort, wo die Familie lebte, bleibt ein Loch. Der Explosionstrichter kommt immer wieder, als Mahnmal, ins Bild.

Nach und nach entblättert Christian Schwochow die Geschichte hinter dem Anschlag. Er skizziert die fesche, junge, gut ausgebildete und höfliche neue Rechte. Karl, einer der Köpfe hinter dem paneuropäischen Jugendnetzwerk „Re/Generation Europe“, das Sommerakademien in hippem Ambiente veranstaltet, wo eloquente Rednerinnen und Redner sich um die Zukunft der Jungen sorgen, während sie alternativen Bands lauschen. "Sieg Heil"-Rufe sind verpönt, stattdessen geht es auf den ersten Blick auch um Feminismus, Diversität, Bildung und Klimaschutz. Die Codes kommen angepasster daher.

Karl, den Jannis Niewöhner mit aller Kaltblütigkeit verörpert, pirscht sich an Maxi an, gewinnt sie trotz anfänglicher Zweifel und Ambivalenzen für sich und seine Ideale. Bis Maxi die Bühne betritt und den Anschlag und das lasche Reagieren der Regierung in puncto islamistische Gefahr mit ihrer persönlichen Story youtube-tauglich anprangert. Sie ahnt nicht, wie weit die anderen für ein paar Stimmen und Publicity gehen würden. Der Film skizziert eine Radikalisierung mit größter Glaubwürdigkeit, ist Mahnung und Warnung zugleich und lebt von packenden Plot-Twists am Ende. Er nimmt die neue hippe Rechte und ihre angeblichen Sorgen ernst.

"Fabian oder Der Gang vor die Hunde" von Dominik Graf

Was für ein Film! Eine Hommage an das Berlin von einst und jetzt, eine Verbeugung vor dem Filmemachen, ein verrucht versoffenes Sittenbild der Weimarer Republik, eine Verfilmung von Erich Kästners 1931 erschienenem und zensuriertem gleichnamigem Roman und vor allem ein betörender Liebesfilm: Mit Dominik Grafs dreistündigem Werk "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" hat der digitale Branchentreff der Berlinale wohl einen großen Favoriten, der nicht nur die Zwischenkriegszeit beleuchtet, sondern gleichzeitig auch völlig authentisch vom Jetzt erzählt. Es ist ein Ausflug in die Filmhistorie: der deutsche Regiestar verwebt unaufdringlich Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Tonfilm, körniges Super-8-Material, hyperrealistisches HD sowie Archivmaterial aus den 1930ern zu einem beeindruckenden Zeitdokument.

Und obwohl wir seit "Babylon Berlin" selbst die dunkelsten Ecken der einstigen Etablissments kennen, inszenieren sie Graf und sein Kameramann Hanno Lentz neu und anders: Sie nehmen die Zuschauerschaft wie selbstverständlich an der Hand und führen sie in fiebrigen, ruckelnden Bildern und einer mitunter ohrenbetäubenden Lautstärke durch die promill- und opiumlastigen Berliner Nächte. Szenen, als wäre man selbst jenseits von nüchtern.

Eingangs begegnen wir der Titelfigur Jakob Fabian, als sich ein kriegsversehrter Mann über ihn beugt und keuchend im Gegenlicht sagt: "Dieser verdammte Krieg!" Tom Schilling, der auch in der Schalko-Serie "Ich und die anderen" mitwirkt, spielt die Titelrolle des klugen, verzweifelten und verliebten jungen Mannes mit Verve und der gesamten Virtuosität der Emotionsskala beeindruckend, auch Meret Becker überzeugt als Lebefrau, ebenso wie Saskia Rosendahl als Geliebte, die zwar dauernd auf ihre Unabhängigkeit pocht, sich dann aber dennoch für eine Schauspielkarriere von einem Produzenten aushalten lässt. Ein überzeugendes Zeitdokument mit vielen Verweisen und dem einen oder anderen wundersam eingeflossenen Original-Zitat.

"Ballad of a White Cow" von Maryam Moghaddam und Behtash Saneeha

„Ghasideyeh Gave Sefid - Ballad of a White Cow“ ist nach einer Koran-Sure benannt. Doch im Film von Maryam Moghaddam, die auch die Hauptrolle spielt, und Behtash Sanaeeha dient Gottes Wille nur als Entschuldigung für die Unzulänglichkeiten der brutalen iranischen Justiz. Minas Mann wurde zu Unrecht exekutiert. Das Blutgeld „im Ausmaß des vollen Preises eines erwachsenen Mannes“ bringt ihn aber auch nicht zurück.

Ohne sich zu erkennen zu geben, hilft der Richter der alleinerziehenden Mutter der siebenjährigen gehörlosen Bita, um seine Schuld wieder gut zu machen und die beiden kommen sich näher. Nach dem letztjährigen Bären-Gewinner von Mohammad Rasoulof, den das Regime heuer nicht als Juror anreisen ließ, also erneut eine starke, kompromisslose Schuld-Geschichte aus dem Iran in Berlin.

"Petite Maman" von Céline Sciamma

„Petite Maman“ ist die hochkarätigste Premiere der diesjährigen Corona-Berlinale. Céline Sciamma bringt, nach ihrem überaus starken Liebesfilm „Portrait de la Jeune Fille en Feu“ von 2019, nun eine ebenso fein gearbeitete, aber reduziertere Familiengeschichte auf die virtuelle Leinwand. Diesmal steht die 8-jährige Nelly im Mittelpunkt. Nach dem Tod ihrer Großmutter macht sie im Wald rund um deren leeres Haus eine ohne viel Aufhebens und künstliche Verrätselung erzählte Begegnung über die Generationen hinweg. Sciamma konzentriert sich fast ohne Musik und mit wenig Tempo erneut auf zärtliche Gesten und lässt den stillen Gefühlen ihrer Figuren viel Platz. Das bremst zuweilen etwas die Intensität und Dynamik, die gegen Schluss bei einem Abenteuer in einer schwimmenden Pyramide kurz aufflammt. Am Ende wirkt die leicht magische Naturstimmung rund um Nelly aber auch ohne zusätzliche filmische Spiegelungen gut. Ein angenehm rätselhafter 70-minütiger Film über den Abschied von der Kindheit.

"Bad Luck Banging or Loony Porn" von Radu Jude

Mit dem Titel „Bad Luck Banging or Loony Porn“ verspricht Radu Jude als Gewinner eines Silbernen Bären 2015 heuer mehr Unterhaltung als er dann wirklich liefern will. Eine dreiminütige Hardcore-Sexszene als Einstieg in den Film hätte im vollbesetzten Berlinale-Kino vor 1000 Fachbeuschern vielleicht noch zur künstlichen Provokation getaugt. Die restlichen gut 100 Filmminuten voller beliebiger Alltags-Szenen, absurder Bilder, anekdotischer Texte und banaler Gespräche sind aber eher eine unzusammenhängende Videoclip-Kompilation plus Kurzfilm als ein wirklicher konsistenter Spielfilm. Einige politisch-kritische Kommentare über das verkommene Rumänien des Jahres 2021 mischen sich darunter. Am Ende heißt es immerhin selbstironisch „The film was but a joke and here it ends.“ Und zumindest tragen die Leute im Film schon Masken - ein Corona-sicherer Wettbewerbsfilm also, wenn schon kein Bären-Favorit.

"Tina" von Dan Linday und T. J. Martin

Für ein bisschen Promi-Glamour und eine ordentliche Portion Nostalgie sorgt die konventionell umgesetzte Doku „Tina“ von Dan Lindsay und T.J. Martin. Es dokumentiert den Werdegang und die Emanzipation von Rockröhre Tina Turner von ihrem gewalttätigen Mann Ike und versucht, sich von den omnipräsenten Bildern vom Filmhit „Tina - What’s Love Got to Do with It?“ von Brian Gibson aus dem Jahr 1993 zu lösen - was oftmals nicht gelingt. Nebst fantastischem Archivmaterial und vielen spannenden Interviews erzeugen aber jene Momente die meiste Spannung, in denen die heute 81-Jährige in der Schweiz lebende Ikone in einem leeren Hotelzimmer das Erlebte kommentiert und die Erinnerungen einordnet. Mit nach wie vor atemberaubender Stimme, der man ewig lauschen könnte. Der Film ist so etwas wie ein Abschluss. Ein Vermächtnis einer langen erfolgreichen Karriere mit Verkaufszahlen im dreistelligen Millionenbereich, einer Autobiografie, dem Spielfilm und einem Musical.

"Albatros" von Xavier Beauvois

Eigentlich lebt es sich im Stätchen L’Étretat in der Normandie beschaulich. Es sei denn, ein Mann aus Paris begeht am Küstenstreifen mit dem berühmten Elefantenfelsen Suizid, genau in dem Moment, als ein frisch vermähltes Paar sein Hochzeitsshooting hat. Hier versieht Laurent (Jérémie Renier) seinen Dienst als Polizist und Postenkommandant. Die Delikte von Trickbetrügereien bis häusliche Gewalt berichten auch von den Problemzonen eines Landes.

Als der verzweifelte Bauer Julien sich dagegen wehrt, EU-Richtlinien umzusetzen, kommt es zur Eskalation. Die Situation endet damit, dass der Bauer tot ist und der Polizist am Boden zerstört. "Albatros" skizziert daraufhin den totalen emotionalen Zusammenbruch eines Mannes, eines Verlobten und Vaters einer Tochter. Der französische Filmemacher Xavier Beauvois findet dafür nachvollziehbare starke bis vor Pathos und Klischess triefende Filmmomente.

Laurent muss raus. Er bricht aus seinem bürgerlich eingebettetem Alltag aus und begibt sich als mittelalter Mann alleine mit seinem Segelboot aufs Meer. Das eindringliche Minenspiel von Hauptdarsteller Renier beeindruckt. Seine Familie bleibt zurück. Beauvois, als Schauspieler und Regisseur ein alter Bekannter bei der Berlinale, zeichnet ein versöhnliches Ende. Das stimmt hoffnungsvoll.

"Natural Light" von Dénes Nagy

Ein Mann und sein Dilemma stehen auch in Dénes Nagys archaischem Debüt „Natural Light“ im Mittelpunkt: In Aschgrau, Braun und Sepia berichtet er von einer ungarischen Truppe, die im Kriegswinter 1943 in der Sowjetunion für die Wehrmacht Partisanen aufspürt. Als der Kommandeur stirbt, muss der wortkarge Soldat Semetka (Ferenc Szabó) übernehmen. Widerwillig. Trister Film über ein in Ungarn oftmals unterbeleuchtetes Thema sowie Schuld und Sühne eines Einzelnen im Kriegsgefecht. Famose Kameraarbeit mit dem titelgebenden spärlichen natürlichen Licht.

"Memory Box": Erinnerungen an Beirut
"Memory Box": Erinnerungen an Beirut © Berlinale

"Memory Box" von Joana Hadjithomas und Khalil Joreige

In „Memory Box“ bringt ein Paket voller Erinnerungen die kanadische Teenagerin Alex auf die Spur ihrer Familiengeschichte. Doch die Geschichte handelt nur in zweiter Linie von der zweiten Generation in der neuen Heimat. Mit den neugierigen Augen des Mädchens offenbart uns der Film von Joana Hadjithomas & Khalil Joreige die jugendliche Liebesgeschichte ihrer Mutter Maia inmitten der Beiruter Bürgerkriegs-Vergangenheit - Erinnerungen, die sie noch Jahrzehnte später lieber verdrängt.

Basierend auf eigenen Aufzeichnungen komponiert das Regie-Duo eine wunderbar detailreiche Collage aus Fotos, Filmschnipseln und Audio-Kasetten, angereichert mit 80er-Jahre-Pop-Songs und unfreiwilligen Verweisen auf die bittere libanesische Gegenwart. Explosionen fressen als chemische Filmfehler die Kussszene auf und analoge Fotos lernen am Smartphone der Tochter laufen. Wenn am Ende ein wieder aufgebautes modernes Beirut zu sehen ist, entsteht seit den Bildern der verheerenden Hafen-Explosion eine unfreiwillige Dissonanz.

Und auch die beiden Filmemachenden selbst sparen bei der Berlinale nicht mit kritischen Parallelen. „Der Film handelt auch vom starken Wunsch lebendig zu sein. Das ist ein Echo des kompletten Kollaps im Libanon, der Katastrophe eines Landes, in der Geiselhaft korrupter Anführer und der tragischen Explosion, die ein Drittel der Stadt und einen Großteil unseres Lebens zerstört hat. In dieser Not brauchen wir dringend Licht", heißt es in der Pressemitteilung.

"Ich bin dein Mensch" von Maria Schrader

Ihre Gefühle sind vorprogrammiert: Dan Stevens und Maren Eggert in "Ich bin dein Mensch"
Ihre Gefühle sind vorprogrammiert: Dan Stevens und Maren Eggert in "Ich bin dein Mensch" © Christine Fenzl

Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader („Vor der Morgenröte“, „Unorthodox“) legt mit „Ich bin dein Mensch“ eine kurzweilige, höchst vergnügliche Charakterstudie rund um eine Wissenschaftlerin und einen humanoiden Roboter vor. Maren Eggert verkörpert Alma: eine kluge, smarte, neurotische, aber auch einsame und liebestechnisch gekränkte Anthropologin mit Schwerpunkt Keilschrift, die sich verpflichtet hat, einen humanoiden Roboter drei Wochen lang für ein Gutachten zu testen.

Tom, herrlich gespielt von Hollywoodstar Dan Stevens, ist auf die Bedürfnisse von Alma programmiert und darauf, sie glücklich zu machen. Als Vermittlerin dient Sandra Hüller (köstlich!) ebenso als humanoide Roboterin. Schon die erste Begegnung zwischen Alma und Tom - in einem Tanzlokal (hach!) mit Swing-Musik und lauter trinkenden Paaren sitzt. Mit platten Komplimenten von Augen wie Bergseen oder einem Rosenbad mit Champagner kann Tom Alma nicht hinter der kühlen Fassade hervorholen. Sie testet ihn zwar beinhart mit Rechenbeispielen, vorletzten Buchstaben von Lieblingsgedichten oder intuitiven Glaubensfragen, aber eigentlich wünscht sie sich ein bisschen Unberechenbarkeit von einem Mann. Tom arbeitet daran.

Schraders Film changiert leichtfüßig und mainstreamtauglich zwischen bizarrer Science-Fiction-Komödie, bittersüßer Lovestory und einer gewagten Versuchsanordnung: Wie viel Eigenleben steckt in einer Maschine? Wie vorhersehbar darf die Liebe sein? Können Algorithmen das Glück programmieren? Und was passiert, wenn man sich trotz innerer Abwehrhaltung, dennoch verliebt? Große Fragen, die schlussendlich nur oberflächlich beantwortet werden. Macht aber nichts. Man wird einfach wunderbar unterhalten!

Shin Seokho und Ye Jiwon in "Inteurodeoksyeon"
Shin Seokho und Ye Jiwon in "Inteurodeoksyeon" © Jeonwonsa Film Co.Production

"Inteurodeoksyeon" von Hong Sang-soo

„Inteurodeoksyeon“ heißt der neueste Film von Hong Sang-soo im Original. Der koreanische Anglizismus für “Introduction” eröffnete am Montag passenderweise auch irgendwie den Wettbewerb der diesjährigen Streaming-Berlinale. Und sofort drängt sich beim 66-Minuten kurzen Film die falsche Vermutung auf, dass es sich dabei um einen der Pandemie geschuldete Miniatur handelt, die mit aus den eingeschränkten Möglichkeiten spielt.

Doch wer frühere Filme des Festivallieblings (Silberner Bär 2020 für “The Woman Who Ran”) kennt, weiß dass die szenischen Mini-Geschichten und ungeschnittenen Einstellungen keineswegs neu sind. Auch diesmal wird wieder beim Essen ausführlich über Gott und die Welt geplaudert, wird die Liebe und die Familie verhandelt. Und auch die Selbstironie und der Alkohol kommt nicht zu kurz, wenn ein alter berühmter Schauspieler (Joo-Bong Ki) zwei junge Männer davor warnt betrunken zu werden und ihnen gleich kräftig Reiswein nachschenkt. Einer von ihnen scheitert als Schauspieler, weil er keine Kussszene spielen will. Der alte Schauspieler beharrt jedoch darauf, dass auch ein Fake-Filmkuss einen Wert hat. Ein Teil der in sanftem schwarz-weiß gedrehten Geschichte spielt sogar in Berlin, als eine etwas verlorene Austauschstudentin von ihren Freund schon einen Tag nach der Abreise am anderen Ende der Welt überrascht wird. Soviel Sehnsucht nach Nähe ist dann sogar in Pandemie-Zeiten zuviel!