Sie hat bedeutende Preise eingeheimst, verkörperte "Des Teufels General" in der Berliner Volksbühne und Magda Goebbels, am 7. November kommt ihr neuer Film "Lara" in die Kinos: Corinna Harfouch ist seit dem Start ihrer Karriere eine gefragte Schauspielerin. Im Schauspiel Hannover ist die 65-Jährige in "Orlando" nach dem Roman von Virginia Woolf (1882-1942) zu sehen. Vorab sprach sie mit der dpa.

Sie spielen in "Orlando" einen Mann, der zu einer Frau wird. Wären Sie selbst gern mal für einen Tag ein Mann?
CORINNA HARFOUCH: Das ist gar nicht notwendig. Ich glaube fest daran, dass wir zu Teilen Mann und Frau sind. Jeder hat einen Mann und eine Frau in sich. Das bezieht sich nicht auf das primär Geschlechtliche, sondern auf Denkweisen und Verhaltensmuster, je nachdem, wie man aufgewachsen ist und was einem beigebracht wurde. In einer Blüte können das Männliche und das Weibliche auch zusammen wohnen. Ich durfte öfter schon einen Mann spielen und dieses Männliche hervorholen, so dass ich es spürte und erlebte. Wenn die Welt mehr spielen und das Spielen als eine ernste Sache begreifen würde, dann wüsste das jeder.

Tatsächlich werden Männer und Frauen oft unterschiedlich behandelt. Gab es in Ihrer Karriere am Anfang Situationen, in denen Sie dachten: "Jetzt wäre ich lieber ein Mann"?
HARFOUCH: Warum am Anfang? Weibliche Schauspieler bekommen heute immer noch weniger Geld als männliche Schauspieler. Das ist eine weit verbreitete, gesetzte Sache. Neulich hat das mir jemand mal wieder anhand von Zahlen deutlich gemacht. Ich hätte das nie gedacht in dieser Krassheit. Das gilt auch für andere Berufe. Das ist ein Ausdruck dieser Gesellschaftsordnung. Es scheint eine ganz klare Entscheidung zu geben, dass die Leistung von Frauen mit weniger Geld honoriert wird.

Was halten Sie von der #MeToo-Bewegung, die sich gegen sexuelle Belästigung und Diskriminierung richtet?
HARFOUCH: Wir sind noch sehr am Anfang, #MeToo gibt eine größere Aufmerksamkeit. Es geht unbedingt gegen sexuelle Belästigung und Diskriminierung, aber im Grunde geht es noch um sehr viel mehr. Es geht darum, wie wir als Menschen miteinander leben wollen und ob wir die Ressource des harmonischen Miteinanders des Männlichen und Weiblichen zukünftig besser nutzen.

Orlando wird in dem Stück nicht nur vom Mann zur Frau, sondern reist auch durch vier Jahrhunderte. Würde Sie das reizen?
HARFOUCH: Wir reisen doch pausenlos durch Jahrhunderte, etwa wenn wir Filme sehen oder Musik hören. Wir leben auch in unserer Kindheit, wir leben von einer bestimmten Prägung, die unsere Mütter und Großmütter uns gegeben haben. Ich will in dieser Zeit leben, ich sehne mich nirgendwo anders hin.

Was ist das Schöne am Älterwerden?
HARFOUCH: Zum Beispiel, dass man Enkelkinder hat. Die Kinder liebt man, das ist keine Frage. Aber die Enkel liebt man noch auf eine andere Weise. Man kann sie viel mehr genießen und als ein Wunder sehen. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, fängt eine neue Phase an. Die einen entscheiden sich vielleicht fürs Reisen und ich entscheide ich mich dafür, sehr viel zu arbeiten.

Gibt es heute bessere Rollen als früher für Frauen, die ein bisschen älter sind?
HARFOUCH: Am Theater wird heute nicht mehr klassisch männlich/weiblich oder alt/jung besetzt. Das bietet älteren Frauen sehr viel Möglichkeiten, ihre meist große Lebenserfahrung einzubringen.

ZUR PERSON: Corinna Harfouch (65), geboren in Suhl, gehört zu den wichtigsten Bühnen- und Filmdarstellerinnen Deutschlands. Sie spielt die Titelrolle in "Lara", dem zweiten Film von "Oh Boy"-Regisseur Jan-Ole Gerster, und ist im nächsten Jahr in der Spionage-Serie "Deutschland 89" zu sehen.