War es für Sie wichtig, nach dem Megaerfolg der drei „Fack ju Göhte“-Späße eine Hauptrolle im „dramatischen“ Fach zu spielen?
ELYAS M’BAREK: Es war eine tolle Zeit mit „Fack ju Göhte“, aber klar, als Schauspieler möchte man auch einmal etwas anderes machen, sich nicht festfahren. Es geht ja immer darum, den Zuschauer emotional zu erreichen. Ich nähere mich jeder Rolle mit derselben Ernsthaftigkeit.

Als junger Anwalt Caspar Leinen werden Sie zum Pflichtverteidiger des 70-jährigen Italieners Fabrizio Collini, der anscheinend grundlos den Großindustriellen Hans Meyer in dessen Berliner Hotelsuite erschoss. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?
ELYAS M’BAREK: Unter anderem durch Gespräche mit Rechtsanwälten und dem Autor Ferdinand von Schirach und auch durch Besuche im Gerichtssaal.

Ihre Figur wird anders als im Buch gezeichnet. Warum?
ELYAS M’BAREK: Im Buch stammt der Anwalt aus derselben Gesellschaftsschicht wie das Mordopfer, im Film kommt er aus einem anderen Milieu. Ich glaube, das macht die Konflikte des jungen Anwalts bei seinen Recherchen greifbarer.

Was hat Ferdinand von Schirach zu den Veränderungen gesagt?
ELYAS M’BAREK: Er wurde immer gefragt. Wäre er mit etwas nicht einverstanden gewesen, hätte er es sicher sofort gesagt. Wir beide haben uns meistens übers Essen unterhalten, vor allem über die japanische Küche, die wir sehr mögen.

Kannten Sie Schirachs Bücher?
ELYAS M’BAREK: Ich habe sie alle gelesen und bin ein großer Fan. Was mich besonders fasziniert, ist die unglaubliche Nüchternheit seines Schreibstils. Alles wirkt so echt, so authentisch, so nah am Leben. Wenn man seine Bücher liest, ist man sofort Teil der Geschichte. So ging es mir auch mit dem „Fall Collini“.

Dem Vernehmen nach hat Ihnen Schirach sein Zigarettenetui geschenkt?
ELYAS M’BAREK: Es hat mir so gut gefallen. Und weil wir uns offensichtlich bei den Gesprächen gut verstanden haben, hat er es mir als Souvenir in die Hand gedrückt. Ich habe gleich mit dem Gedanken gespielt, dieses Etui in den Film einzubauen. Tatsächlich gibt es nun einige Szenen, in denen ich dieses Lederetui benutze, darunter auch eine, in der ich dem Mörder eine Zigarette anbiete.

Was trieb den Italiener Collini (Franco Nero) zum Mord an Hans Meyer?
Was trieb den Italiener Collini (Franco Nero) zum Mord an Hans Meyer? © Constantin Film Verleih



Schirachs Story basiert auf dem sogenannten Dreher-Gesetz, das vom Deutschen Bundestag verabschiedet wurde und mit einem Schlag zu einer Generalamnestie für die meisten Verbrecher des Nazi-Regimes führte. Deren Taten wurden nicht mehr als Mord, sondern als Totschlag eingestuft und galten alsbald als verjährt. Ist dieses Gesetz noch immer gültig?
ELYAS M’BAREK: Leider ja. Für mich ist das ein absoluter Justizskandal, der mich tief erschüttert. Aber ich habe die Rolle nicht aus politischen Gründen gewählt. Sondern, weil der Stoff sehr vielfältig ist und einen guten Thriller ergibt. Auch wollte ich einmal mit Regisseur Marco Kreuzpaintner drehen, den ich sehr schätze.

Wie haben Sie sich bei den vielen Szenen im Gerichtssaal gefühlt?
ELYAS M’BAREK: Der wirkt sehr imposant, nicht wahr? Er wurde extra gebaut, sieht sehr amerikanisch aus und erinnert an große US-Gerichtssaalthriller. Auch die Figur des von Heiner Lauterbach gespielten Staatsanwalts gemahnt an amerikanische Vorbilder.

Ein Genre, das Sie fasziniert? Gab es da einen Film, der Ihnen besonders gut gefallen hat?
ELYAS M’BAREK: Mir fällt da immer „Philadelphia“ mit Tom Hanks und Denzel Washington ein. Wo jemand Ungerechtigkeit leibhaftig erlebt, aber dann feststellt, dass es doch noch Gerechtigkeit gibt. Auch unser Film dreht sich schnell in andere Richtungen. Mein Anwalt Caspar Leinen ist nicht nur Verteidiger, sondern wird auch zum Detektiv. Nachdem er mit seinen Recherchen begonnen hat, stellt er fest, dass es noch eine andere Wahrheit gibt.

Auf der Suche nach einem Motiv: Anwalt Caspar Leinen (Elyas M'Barek)
Auf der Suche nach einem Motiv: Anwalt Caspar Leinen (Elyas M'Barek) © Constantin Film Verleih


Der Mann, den Sie verteidigen, wird von Franco Nero verkörpert. Er hat kaum mehr Sätze als die Buhlschaft im „Jedermann“ zu sprechen, ansonsten redet sein Gesicht.
ELYAS M’BAREK: Ja, und es ist unglaublich, wie er das macht, wie er einen anschaut, mit seinen blauen Augen. Das zeigt, warum er eine solche Legende ist. Grundsätzlich bin ich von großen Namen nicht so beeindruckt, sondern mich interessiert vielmehr, wie sie als Menschen sind und wie sie mit ihrer langen Karriere umgehen. Und da kann ich über Franco nur das Beste sagen: Er ist ein sehr angenehmer Kollege und absolut bodenständig geblieben. Wie auch Heino Lauterbach. Wir haben immer auf Augenhöhe agiert, und er hat es gut verstanden, mich zu stärken und zu motivieren.

Sie sind Pass-Österreicher. Haben Sie noch genug Zeit, Ihre Familie in Oberösterreich zu besuchen?
ELYAS M’BAREK: Ich komme immer gern nach Österreich. Die Kontakte reißen nie ab.

In vielen Städten sehen Sie Ihr Konterfei auf Riesenplakaten, der Fanansturm ist groß. Wie kommen Sie mit dem, was man „Starruhm“ nennt, zurecht?
ELYAS M’BAREK: Das sehe ich relativ gelassen. Der Ruhm hindert mich nicht daran, zu Hause ein ganz normales Leben zu führen. Und: Wenn nicht gerade einer meiner Filme in den Kinos ist, flacht das alles immer wieder ab. Glauben Sie mir: Wenn ich anonym sein möchte, kenne ich auch Wege, um anonym zu bleiben.