Heute Nacht geht es, zumindest im US-Fernsehen, endlich los: Der geheimnisvolle Nachtkönig lässt in der letzten Staffel von „Game of Thrones“ eine Armee von Untoten in den fiktiven Kontinent Westeros und seine ans europäische Mittelalter erinnernde Fantasy-Welt einmarschieren.

Auch die andere große TV-Fiktion der letzten Jahre, „The Walking Dead“, stellt Zombies ins Zentrum eines apokalyptischen Angst-Szenarios: Der Ex- Polizist Rick Grimes und eine Handvoll Überlebende kämpfen darin über Jahre hinweg in klassischer Splatterfilm-Manier gegen eine schier unerschöpfliche Menge an untoten Feinden. Und scheitern nicht selten am Versuch, dabei selbst einigermaßen menschlich zu bleiben und eine Art von Zivilisation aufrechtzuerhalten.

Beide Serien sind prominente Beispiele für eine Flut an Zombies, die die Unterhaltungsindustrie über eine geplagte Menschheit hat hereinbrechen lassen. Fernsehen, Filme, Comics, Computerspiele: Der Zombie ist Menschenfeind Nr. 1 und verbreitet in unserer Gegenwart die höchsten Angstlüste. Warum? Als der Filmregisseur George A. Romero 1968 mit dem Minibudget von 114.000 Dollar mit „Die Nacht der lebenden Toten“ die Grundlagen des modernen Zombie-Mythos schuf, war die hirnlose Masse von Untoten eine Metapher für eine vom Vietnamkrieg in den Grundfesten erschütterte US-Gesellschaft, die moralisch abgedankt hatte.

Wobei eine feindselige, ohne Bewusstsein willenlos dahinlebenden Mehrheit dem Individuum seit den Erfahrungen des Totalitarismus im 20. Jahrhundert furchtbare Ängste einjagt. Solche Ängste sind sehr heutig: Der menschenfressende Zombie bleibt hauptsächlich ein Symbol für den gleichgeschalteten, empfindungslosen Vertreter der Masse, von dem Wortschöpfungen wie „Konsum- Zombie“ sprechen. Oder er ist als „Polit-Zombie“ oder „Zombie-Kapitalist“ der Funktionär eines im übertragenen Sinns kannibalistischen Milieus, das sich von Normalität und Menschlichkeit entfremdet hat.

Der Zombie funktioniert auch als Metapher des rein triebgesteuerten Ich-Menschen, dem die Gemeinschaft egal ist, der der Vernunft nichtzugänglich ist, ein Entsolidarisierter, der nur seinen Instinkten (mehr hat er nicht zur Verfügung) gehorcht. Der Zombie wird in all diesen miteinander stark vermischten Ebenen zum Horrorbild des Bewusstlosen. Und er ist immer auch der andere.

Die Hölle, das sind die anderen, wusste der Philosoph Jean-Paul Sarte, als er die unheimliche Distanz zwischen den Individuen beschrieb. Und schließlich bedienen die Bilder von Zombie- Heeren, die über eine Gesellschaft herfallen, Ängste vor fremden Invasoren, die eine fest gefügte, intakte Gemeinschaft in den Abgrund reißen: Politisch rechte wie linke Angstfantasien werden vom Zombie gleichermaßen bedient, er ist eine dankbare Projektionsfläche und wohl auch deshalb aktuell so beliebt.

Endlose Apokalypse

„The Walking Dead“ ist in den USA ein noch größerer Erfolg als „Game of Thrones“. Es liefert Trump- Gegnern wie Trump-Befürwortern nützliche Feindbilder.Die Zombies stellen auch die Menschlichkeit der Überlebenden auf den Prüfstand – ein Motiv, das sich bereits in „Die Nacht der lebenden Toten“ findet. Die nach einem Comic geschaffene Serie „The Walking Dead“ ist zwar über weite Strecken konventionell erzählt, doch die sisyphosartigen Anstrengungen, die es Rick Grimes und die Überlebenden kostet, in dieser endlosen Apokalypse zu bestehen, sind anrührend.

Zombie-Horror in Serie: "The Walking Dead" ist in den USA noch erfolgreicher als "Game of Thrones"
Zombie-Horror in Serie: "The Walking Dead" ist in den USA noch erfolgreicher als "Game of Thrones" © AMC

Entgegen allen Chancen glauben die Überlebenden (zumindest oft) an eine Gemeinschaft, an den Wert des Lebens, an Solidarität und setzen dem Wahnsinn der Umgebung mehr entgegen als Schwerter und Schusswaffen.In der Postmoderne tauchen atypische Zombies auf. Wesen, die eine gewisse Intelligenz zeigen, die Fähigkeit, sich zu organisieren und letztlich auch solche, die Gefühle haben.

Im Film „Warm Bodies“ (2013) entspinnt sich sogar eine Romanze zwischen Zombie und Mensch. Entwicklungen, die diesen Wesen folglich auch Rechte eingestehen müssen, und sei es nur ein Recht auf Existenz. Die anderen mögen zwar die Hölle sein, doch das schmälert solche Rechte nicht. Wenn ein Weltbild, das den Menschen nicht mehr absolut setzt, Rechte für Tiere und Pflanzen einfordert, warum nicht auch für die fiktiven Untoten, die uns das Fürchten lehren?