Ein fröhliches Trachtenpärchen, gemalt von Egon Wucherer, bewirbt derzeit eine Klagenfurter Ausstellung, die das Zeug zum Publikumsmagneten hat. Unweit des Stadttheaters, wo am Donnerstagabend sein Theaterstück „Servus Srečno Kärntenpark“ Premiere feierte, hat Bernd Liepold-Mosser in der Stadtgalerie einen spannenden Streifzug durch 100 Jahre Kärntner Geschichte gestaltet. Ziel der zweisprachig Schau mit dem Titel „Kärnten/Koroška von A bis Ž“ sei es, „die eingeübten Perspektiven auf das Land kenntlich und für die kritische Reflexion zugänglich zu machen“, so der Kurator.
Was damit gemeint ist, wird bereits im ersten Raum evident, wo gleich nach dem Abwehrkampf das politisch hochbrisante Bärental abgehandelt wird, samt ausgestopftem Karawankenbär und dem kleinen „Jörgi-bären“, beide übrigens Leihgaben des Landesmuseums.
Zentrale Themen der Schau sind, wie nicht anders zu erwarten, Identität und Heimat, präsent etwa in Gemälden von Werner Berg und Switbert Lobisser. Gleich ums Eck hängt das wertvollste von zahlreichen Kunstwerken, die sich in Petersburger Hängung übereinander türmen: eine Ulrichsberg-Ansicht von Herbert Boeckl.

Herbert Boeckls Ulrichsberg-Gemälde von 1937 und Ansichten vom Wörthersee in russischer Hängung
Herbert Boeckls Ulrichsberg-Gemälde von 1937 und Ansichten vom Wörthersee in russischer Hängung © Hirtenfelder

Gegen den Strich gebürstet

Zumeist gegen den Strich gebürstet erlebt man auch andere Narrative, die für das Land und seine Selbstsicht prägend wurden: zum Beispiel die Grenzziehung, verarbeitet in einem Fotoprojekt des Künstlerpaars Six & Petritsch, der Chorgesang, die schöne Landschaft und – damit verbunden – der Wörthersee, dessen Südufer heute wohl Teil Sloweniens wäre, hätte die Volksabstimmung einen anderen Verlauf genommen. Im Abschnitt über die Propagandaschlacht davor wird einer der Gründe für deren Ausgang sichtbar. Während sich der siegessichere SHS-Staat mit einsprachigen Plakaten begnügte, druckten die Österreicher in beiden Landessprachen. Solche Einsicht in den Nutzen der Mehrsprachigkeit währte leider nicht lange. Historische Fotos zeigen, dass noch 1920 gemeinsam gefeiert wurde. Erst später entzweite der deutschnational befeuerte Abwehrkampfmythos die beiden Volksgruppen. Daraus resultierten Konflikte wie der Ortstafelstreit oder die Beschmierung von Denkmälern für slowenische NS-Opfer.

NS-Arzt Ramsauer und Partisanin Jelka

Zwei Buchstaben sind sehr konträren Menschen gewidmet: Siegbert Ramsauer, der nach seinen Gräueltaten als KZ-Arzt ein Leben als angesehener Kärntner Bürger führte und der Partisanin Jelka, alias Helena Kuchar. Ein Foto zeigt sie gemeinsam mit der aus dem KZ Ravensbrück entkommenen Großmutter von Maja Haderlap, bekannt aus deren Roman „Engel des Vergessens“.
„Viele Exponate sind überhaupt erstmals öffentlich zu sehen“, erklärt Liepold-Mosser, der gemeinsam mit Co-Kuratorin Karla Fehlenberg hunderte Zeitzeugnisse ausgegraben hat. Zu den seltsamsten gehören wohl ein Splitter aus dem von den Nazis zerstörten „Dollfußkreuz“ vor dem Landhaus, Kranzschleifen vom Sarg des Kärntner Gauleiters Hubert Klausner sowie Überreste des 1976 gesprengten Steinacher-Denkmals in Völkermarkt.
Auch für Schmunzeln ist gesorgt. Neben (mittlerweile) fragwürdigen Fremdenverkehrsplakaten, die „Sexbomben über Velden“ ankündigen, trifft man auch auf Fotos von Kindern aus Papua-Neuguinea, denen ein humorbegabter Klagenfurter Hautarzt Kärnten-Fähnchen in die Hände drückte – ein Stück augenzwinkernder Patriotismus fernab der Heimat.

Einer von vielen ironischen Akzenten der Schau: Fahnenschwingende Schüler in Papua-Neuguinea, fotografiert von  Helmut Aichinger
Einer von vielen ironischen Akzenten der Schau: Fahnenschwingende Schüler in Papua-Neuguinea, fotografiert von Helmut Aichinger © Markus Traussnig

Videos von Ernst Logar, der Widerstandskämpfer interviewte, eine Qualtinger-Parodie auf Kärnten und ein Film über frühere Jubiläumsumzüge komplettieren die Schau, die äußerst zuversichtlich mit einem Kapitel über die Generation Y ausklingt. Für die nach 1980 Geborenen spiele die Kärntner Urangst „nur noch eine untergeordnete Rolle“, ist Liepold-Mosser überzeugt. Eine begleitende Kinderausstellung im „Living Studio“ der Stadtgalerie soll dafür sorgen, dass dies auch weiterhin so bleibt.