Die Welt liegt in Trümmern. Holzbalken, Quadersteine und Stühle liegen verteilt im grauen Kirchenraum. Was ja kein Wunder ist, denn es herrscht Krieg, der Hundertjährige: In diesem düsteren Einheitsbild und in zeitlosen, grauen Kostümen lassen Frank Van Laecke und sein Bühnenbildner Philippe Miesch „Die Jungfrau von Orléans“ von Peter Iljitsch Tschaikowski am Laibacher Opernhaus spielen. Wenn auch so manches statuarisch, ja fast oratorienhaft arrangiert ist (insbesondere der Chor) so lässt einen die beeindruckende Wucht der Bilder staunen. Der belgische Regisseur spielt bei der an Friedrich Schiller orientierten Geschichte über die Gotteskriegerin, die als Jean d’Arc an der Spitze der französischen Truppen die Engländer besiegte und so die Einwohner von Orleans befreite, immer wieder mit vielen Details und Symbolen: Wenn etwa Johanna Zündhölzer anzündet, wenn die in die Kirche hereinströmenden Flüchtlinge Teil des Altarbildes werden oder wenn zum Finale aus den Kirchentrümmern der Scheiterhaufen errichtet wird.

Eine Wucht ist die Titelheldin: Nuška Drašček Rojko überstrahlt mit ihrem nuancenreichen, aber auch expressiv eingesetzten Mezzo alle und trägt den Abend fast allein. Sie kann auch ihre Seelennöte glaubhaft machen. An nächster Stelle sei der machtvoll auftrumpfende Chor des Hauses erwähnt. Ihren harten, patriarchalischen Vater zeichnet Janko Volčanšek, der sie auch später der Hexerei anklagt und damit dem Scheiterhaufen preisgibt, fallweise mit donnernder Stimme. David Jagodic als Karl VII. gefällt mit heller, detaillierter Artikulation. Robert Vrčon ist ein Erzbischof mit reifem Timbre. Ivan Andres Arnšek als Geliebter Lionel verfügt über einen eigenwillig klingenden Bariton.

Während „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“ zum Opernkernrepertoire zählen, haben sich die anderen Opern von Tschaikowski außerhalb von Russland nie wirklich durchgesetzt. Dabei verfügt das Werk über eine wunderbare Musik. Simon Krečič am Pult des Orchesters der Laibacher Oper hat eine sehr energische, kompakte Lesart der Partitur, mit vielen hörenswerten Momenten bei den lyrischen und dramatischen Stellen, denen nur manchmal etwas der Feinschliff fehlt.
Riesenjubel!

Inzest und Verrat in Triest

Es ist schon eine ziemlich wirre Geschichte, die die Lebensstationen der Renaissancefürstin Lucrezia Borgia beschreibt, einer düsteren Persönlichkeit, der man vom Giftmord über Inzest bis Verrat und Intrigen alles nachsagt. Deshalb wird die auf einem Libretto von Victor Hugo basierende und 1833 in Mailand uraufgeführte Belcanto-Oper heute nur noch selten aufgeführt. Und das, obwohl sie Gaetano Donizetti mit einer hinreißenden Musik ausgestattet hat, wobei in „Lucrezia Borgia“ große Ensembleszenen ebenso hervorstechen wie prachtvolle Arien für echte Belcanto-Sänger. Und solche sind am Teatro Verdi in Triest in reichem Maße vorhanden: Allen voran sei Carmela Remigio genannt, die die Titelheldin mit perlenden Koloraturen, hoher Flexibilität, ungetrübter Höhe und exemplarischer Artikulation verkörpert. Nie bleibt es bei ihr bloßer artistischer Kunstgesang: sie lebt die Partie durch fühlbaren Ausdruck.
Ihr zur Seite erlebt man als Gennaro, ihren verlorenen Sohn, mit Stefan Pop einen strahlenden lyrischen Tenor mit wunderbarer Phrasierung, der nicht nur puncto Statur, sondern auch in seiner Stimmfärbung an den jungen Pavarotti erinnert. Dongho Kim ist ihr eifersüchtiger Gemahl, ein präsenter, kerniger Herzog Don Alfonso mit nicht allzu großer Stimme. Cecilia Molinari ist ein herrlich dunkel gefärbter und vielbejubelter Maffio Orsini. Tadellos sind auch die zahlreichen kleineren Rollen besetzt, homogen singt der Männerchor des Hauses.
Leider nur kapellmeisterlich werden die Sänger von Roberto Gianola begleitet, der das Orchester des Teatro Verdi zwar mit exakter Zeichengebung, aber mit zu wenig Biss und zu „brav“ musizieren lässt.

Intelligent und ideenreich ist die vitale Inszenierung von Andrea Bernhard. Er lässt den krausen Plot auf der fast leer geräumten, offenen Bühne (Alberto Betrame) in einem Einheitsbild spielen – unter einer schrägen goldenen Decke, die sich auch senken kann und auf deren Rückseite der Name „Borgia“ zu lesen ist.
Beim orchestralen Vorspiel zeigt der Regisseur auch die Vorgeschichte, in welcher der Sohn der Fürstin aus der Wiege heraus von einem kirchlichen Würdenträger geraubt wird. Glaubhaft erlebt man die Ausgelassenheit der jungen Adeligen, aber auch die brutale Drastik, wenn etwa der Herzog seinen Diener und seine Frau körperlich erniedrigt und quält.
Jubel!