Ihr neues Programm heißt „Ein neuer Mensch“: Was ist denn neu an Hosea Ratschiller?
HOSEA RATSCHILLER: Er spielt jetzt eine neue Figur auf der Bühne. Bei den letzten drei Programmen waren das immer Entertainer-Figuren, die recht ungelenk um eine große Show bemüht waren, dann ist das gekippt, weil man drauf gekommen ist, der hat etwas zu verbergen. Insofern ist er ein neuer Mensch auf der Bühne und er hat auch ein kleines Kind, das auch ein neuer Mensch ist. Außerdem erleben wir momentan große politische Umbrüche in der Welt, die vielleicht auch darauf zurückzuführen sind, dass wir uns als Menschen insgesamt verändern.

Vor welchen großen Veränderungen stehen wir denn?
Wenn ich mir meine Familiengeschichte ansehe, bemerke ich, wir haben große Veränderungen hinter uns gebracht: von Bauern zu Arbeitern und weiter zu Kleinbürgern. Und im Vergleich zu Arbeitern besitzen Kleinbürger schon etwas. Das Wichtigste für sie scheint, dass diesem Besitz nichts passiert. Arbeiter hatten noch eine große Utopie, Ideen oder Neugier auf die Welt. Die wollten die Welt sehen, schauen, wie das ist, auf Urlaub zu fahren. Die wollten lesen, was vorher nur die Bürgerlichen lesen konnten – und sie wollten Bildung. Kleinbürger dagegen wollen keine Bildung, im Urlaub nichts Neues sehen, sondern eher, dass alles so ist wie daheim. Das verändert uns, und auch, wie wir Politik wahrnehmen und was wir von ihr erwarten.

Nach der Ibiza-Affäre: Ist das nun eine besonders dankbare Zeit für Kabarettisten?
Das kommt darauf an, welche Art von Kabarett man macht. Ich glaube daran, dass die Komik eine sehr demokratische Kunstform ist. Clowns holen sich die rote Nase, wenn sie gegen die Wand rennen. Sie zeigen offen und ohne Angst auf der Bühne: Manchmal renne ich gegen die Wand. Dann können die anderen lachen und merken, so schlimm ist das vielleicht gar nicht. Autoritäre müssen ihr Scheitern immer verstecken.

Was denn?
Dass sie manchmal nicht Recht haben, dass ihnen manchmal etwas passiert, was sie nicht unter Kontrolle haben. Sie müssen ausstrahlen: Ich habe Recht, ich weiß immer, was zu tun ist, ich bin souverän. Das stimmt natürlich nicht. Und so zu tun als ob, das ist undemokratisch. Die große Stärke der Demokratie ist nämlich, dass sie Veränderung möglich macht.

Welches Demokratieverständnis haben Kleinbürger?
Es steht sehr stark die Besitzstandswahrung im Vordergrund. Wir Kleinbürger wollen, dass alles möglichst unkompliziert ist. Demokratie aber ist kompliziert. Sie bedeutet, dass man Widerstände nicht nur zulassen und ertragen, sondern sogar ermöglichen muss. Das ist anstrengend, aber es lohnt sich.

Der Protagonist auf der Bühne – welchem Milieu entstammt er?
Jetzt muss ich ein bisserl was aus dem Programm verraten: Ich erzähle da, dass ich mir mit dem Brotmesser in den Finger geschnitten habe, weil ich mir ein Brot gekauft habe, das ein bisserl besser war jenes, das ich sonst kaufe. Das hat eine sehr harte Kruste und darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich habe nicht das Messer dafür. Das heißt: Erhöht man an einer Stelle in seinem Leben den Standard, muss alles andere mitziehen, sonst wird es gefährlich. Und dann frage ich mich: Wo stehe ich? Bin ich wohlhabend oder nicht? Geht’s nach oben oder nach unten? Lebe ich über meine Verhältnisse?

Ein klassisches Mittelschichts-Drama also?
Die Figur ist dort angesiedelt, wo wir annehmen, dort sei die Mittelschicht. In Wirklichkeit aber sind wir immer noch Arbeiter. Das Bürgerliche geht sich für die Allermeisten nicht aus. Nicht einmal in klein.

Politisch betrachtet, klingt das sehr zeitgemäß.
Ich habe es jetzt geschrieben, also komme ich der Gegenwart schlecht aus. Wir leben in der Zeit nach dem Ibiza-Video. Da wurden Phantasien von Aufstieg sichtbar. Aber ich finde, man darf nicht den Fehler machen, den Aufstiegswillen an sich zu kritisieren. Es ist wichtig für eine Gesellschaft, dass nicht immer dieselben oben sind und dieselben unten. Aber im Ibiza-Video erleben wir angesagte Korruption und autoritäre Ideen. Das muss man zurückweisen. Nicht den Stil oder die Patschertheit. Wir leben in einer Demokratie. Wir brauchen eine freie Presse, eine Politik, die sich nicht kaufen lässt. Ibiza zeigt keine bsoffene Gschicht, sondern Anschlagspläne. Gangster mit Matura bewegen sich oft auf dem Boden der Gesetze.

Wie bereiten Sie sich auf eine Bühnentour vor?
Das ist sehr anstrengend. Vor allem das viele Alleinsein und das Von-Zuhause-Wegsein. Ich sage immer: ‘Ich bin wie ein Fernfahrer, der fürs Fernfahren bezahlt wird, mit dem Vorteil, dass ich am Abend auf der Bühne machen kann, was ich will.‘

Ein Facebook-Posting verriet, dass es Ihnen zuletzt gesundheitlich nicht gut gegangen ist. Hat deswegen auch eine Erneuerung stattgefunden?
Ich hatte einfach Pech. Ich habe mich mit Feuchtplattern angesteckt, das ist als Erwachsener ganz ungünstig und hat mein Immunsystem auf dem falschen Fuß erwischt. Ich war dann ein Jahr viel bei Ärzten. Aber jetzt geht es mir wieder besser.