Positive Zukunftsvisionen sind im Kino selten. Die filmische Endzeit ist dystopisch. Doch auch in der Postapokalypse ist Platz für nostalgische Melancholie, Schönheit und sogar Liebe. Und im Spiegel dieser Filme versteckt sich auch die Utopie für eine etwas nähere Zukunft. „La Jetée - Am Rande des Rollfelds“ (Mubi, Amazon Prime) von Chris Marker ist ein außergewöhnlicher Kultfilm. Ebenso schön wie simpel erzählt er 1962 in nur 28 Minuten in Standbildern vom verstrahlten Paris nach dem 3. Weltkrieg. Deutsche Wissenschaftler schicken einen Gefangenen in die Vergangenheit zurück. In der Zeit vor der Endzeit verliebt er sich in eine Frau. Das Filmgedicht inspirierte nicht zuletzt Terry Gilliam zu seiner verrückten Adaption „12 Monkeys“.

Auch Österreichs Meister Michael Haneke wagte sich 2003 in die Zukunft. „Wolfzeit - Le Temps du Loup“ (VoD Club) erzählt vom Zusammenbruch der menschlichen Gesellschaft, wie im Grunde alle Haneke-Filme. Isabelle Huppert schlägt sich mit zwei Kindern durch eine französische Post-Apokalypse. Mit eindrucksvollen Bildern legt Haneke den Finger wie immer in die existentielle Wunde.

Oscar-Preisträger Joon-ho Bong spielt in seinen Filmen vor „Parasite“ mit gesellschaftskritischen Zukunftsvisionen. In der überdrehten Komödie „Okja“ (Netflix) will ein Mädchen ihr gentechnisch hochgezüchtetes Riesenschwein retten. In der Kapitalimus-Allegorie „Snowpiercer“ bricht der Klassenkampf an Bord eines Zugs aus, in dem die Überlebenden einer Klimakatastrophe durch die neue Eiszeit rasen – hinten die Armen, vorne die Reichen. Im Mai soll eine Snowpiercer-Serie auf Netflix starten. 

„Blade Runner“ (Amazon Prime, iTunes) ist die einflussreichste Dystopie der jüngeren Kinogeschichte. Ridley Scott adaptierte 1982 den Philip K. Dick-Roman als Film-Noir-Detektiv-Geschichte im verregneten Los Angeles der Zukunft. Unvergessen der melancholische Monolog von Rutger Hauer über den Sinn seines Lebens als Replikant. Ebenso düster und traurig wie die „Mad Max“-Postapokalypse brennend heiß.


Nicht jede Kino-Endzeit ist schrecklich. In Pixars „WALL-E“ (u. a. Disney+, Rakuten, iTunes, Amazon) sehnt sich ein melancholisch-süßer Aufräum-Roboter nach Gesellschaft in seiner Müll-Welt und rettet nebenbei die letzten Menschen aus ihrer Konsum-Lethargie. Großes Kino fast ohne Worte, verschwenderisch einfallsreich. Ein schöner Traum von einer besseren Zeit nach der Endzeit.