Die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 210, Experten warnen vor der Öffnung des Kulturbetriebs: Er halte „die Chance auf einen weiteren harten Lockdown für größer als die Chance, ohne Verschärfungen durchzukommen“, meinte Epidemiologe Gerald Gartlehner jüngst in der „Presse“. Die Regierung berät am Montag, die Szene rechnet nicht mit baldigen Lockerungen. Und auch bei unseren Nachbarn gibt Unsicherheit den Ton an, wie der folgende Überblick zeigt.

Deutschland: Pilot- und Bremsversuche

In Bayern herrscht derzeit ein Hin und Her, ob die Theater des Landes nach fünfmonatigem Lockdown wieder aufsperren dürfen oder nicht. Anfang März hatte der Ministerrat des Freistaats beschlossen, dass dies ab 22. März möglich sein soll. Voraussetzung: eine 7-Tage-Inzidenz unter 100. In München hält man derzeit bei 68, was einzelne Bühnen dazu motivierte, für kommende Woche ihre Wiedereröffnung anzukündigen. Doch die Münchner Stadtregierung stieg kurzfristig auf die Bremse und möchte nun doch noch zuwarten. Der österreichische Regisseur Josef Ernst Köpplinger, der in seinem Gärtnerplatztheater am Freitag den Spielbetrieb wiederaufnehmen wollte, versteht die Welt nicht mehr: „Die Münchner Staatsoper hat letztes Jahr ein Pilotprojekt mit 500 Zusehern gemacht, wo man eindeutig bewiesen hat: Es funktioniert, völlig gleich, welche Inzidenz draußen herrscht. Theater und Konzertsäle zählen zu den sichersten Orten.“ Auch Berlin setzt auf Taten, während sich österreichische Intendanten noch mit Streamingangeboten und Kritik an der Politik begnügen: So hat das Berliner Ensemble am Freitag einen Testlauf gestartet, um die logistische Machbarkeit von Veranstaltungen in Verbindung mit Antigen-Tests zu prüfen. Der bis 4. April laufende Pilotversuch erfolgt in Kooperation mit den Berliner Philharmonikern, der Volksbühne und anderen Kultureinrichtungen. Im Berliner Ensemble zeigt man übrigens „Panikherz“ von Benjamin von Stuckrad-Barre. Laut Intendant Oliver Reese das passende Stück, weil es persönliche Problme thematisiere – mit Udo Lindenberg als Trostfigur.

Spanien: problemloser Betrieb seit Monaten

In Spanien wird derweil vorgelebt, dass auch mitten in der Pandemie ein einigermaßen regulärer Theaterbetrieb möglich ist. Größere Konzerte sollen zwar erst wieder ab dem Frühsommer stattfinden, die Opernhäuser und Theater sind aber schon wieder gut besucht. Und vor allem in der spanischen Hauptstadt läuft der Kulturbetrieb seit Monaten problemlos. Als eines der ersten Häuser meldete sich letzten Juli das Teatro Real mit einer „Traviata“ zurück und ist seitdem ohne Unterbrechung offen. Abend für Abend strömen rund 1000 Zuschauer in die Königliche Oper. Desinfektion, Temperaturmessung, Mundschutz sind ebenso Pflicht wie die Herausgabe der Kontaktdaten verlangt wird, um bei Positivfällen schnell ein Contact Tracing durchführen zu können. Bisher gab es nur einen einzigen Fall. Im Jänner meldete sich eine Frau, die am Tag nach der Aufführung positiv getestet worden war. Sofort wurden die 25 nächsten Sitznachbarn verständigt und getestet. Das Ergebnis: negativ.

Slowenien, Italien & Co: bis auf weiters geschlossen

In Slowenien müssen Bühnen und Konzerthäuser seit Monaten geschlossen bleiben. Hier herrscht Komplettstillstand. Detto in Italien. Erst diese Woche hat die italienische Regierung die geplante Wiedereröffnung von Kinos, Opernhäusern, Konzertsälen und Theatern am 27. März rückgängig gemacht. Nächster Termin: 6. April, nur in Sardinien dürfen Theater und Kinos vorher aufsperren. In der Schweiz stehen die für den 22. März in Aussicht gestellten Corona-Lockerungen angesichts der wieder steigenden Fallzahlen auf der Kippe. In Großbritannien können Kultureinrichtungen frühestens am 17. Mai wieder öffnen.

Frankreich: heftige Proteste aus der Szene

In Frankreich sind Museen, Schauspielhäuser und Kinos offiziell seit Ende Oktober gesperrt, dort aber macht die Szene mehr und mehr Druck für die Wiedereröffnung: Jüngst haben Kulturschaffende landesweit über 30 Schauspielhäuser illegal in Besitz genommen, und aus Protest gegen den Kultur-Lockdown öffneten letztes Wochenende rund 20 Kinos ihre Säle und boten kostenlos Vorführungen an. Bei der Verleihung der César-Filmpreise zog sich Darstellerin Corinne Masiero gar nackt aus – in Verkörperung einer Branche, die sich von der Regierung im Stich gelassen fühlt. Mittlerweile hat sich auch der größte Leinwandstar des Landes, Isabelle Huppert, den Protesten angeschlossen. Ihr Statement dazu war knapp, aber deutlich: „Es reicht.“