Karel Kopfrkingl ist ein Mustergatte. Trinkt nicht, raucht nicht, nennt sich selbst einen "Familisten": Denn nichts, findet er, ist so wichtig wie die Familie. Ach wenn ihm seine Frau mit ihrer ständigen Migräne eigentlich gehörig auf die Nerven geht, die sechzehnjährige Tochter zu schell erwachsen wird, der kleine Sohn gar so verweichlicht ist. Herr Kopfrkingl ist Krematoriumsangestellter aus, wenn man so sagen kann, Überzeugung, er achtet auf Reinlichkeit und gute Sitten. Er hält sich für einen Romantiker und hat ein Buch über den tibetischen Buddhismus.

Diese Figur machte der tschechische Autor Ladislav Fuks (1923-1994)  zum Helden seines Romans "Spalovač mrtvol" - "Der Leichenverbrenner". Das Buch beschreibt den Weg eines scheinbar biederen Durchschnittsmenschen zum Nazischergen und Serienmörder, 1969, zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung, wurde es von Juraj Herz verfilmt und brachte es bis zur  tschechoslowakischen Einreichung für den Auslands-Oscar.

Triumphale Premiere

Nun, 51 Jahre später, erlebte es, in der Bearbeitung des Schriftstellers Franzobel, seine Uraufführung am Wiener Akademietheater. Die war bereits für März geplant gewesen und fiel dann dem Lockdown zum Opfer. Verspätet gab es am Donnerstag eine triumphale Premiere.

Das liegt weniger am Text - auch wenn der Autor den Kopfrkinglschen Kleinbürgersuaden in zahlreichen Wiederholungsschleifen geschickt die öligen Rhethorikhülsen heutiger Rechtsradikaler unterjubelt und in einer köstlichen Szene eine Herrenmenschentheorie anhand des Vergleichs tschechischer mit deutschen Knödeln entwirft.

Den Abend dominieren aber einerseits die kluge, bildmächtige Inszenierung von Nikolaus Habjan, der mit dieser Arbeit einmal mehr beweist, wie die charakteristische Unheimlichkeit seiner Puppen und Masken die Wirkung von Bühnenerzählungen verdichtet und intensiviert. Und andererseits der Schauspieler Michael Maertens, der in einer konzentrierten, stillen Bravourleistung inmitten all des flamboyanten Puppentreibens vorführt, wie sich ein völkischer, mörderischer Wahnsinn in einen scheinbaren Durchschnittsmenschen einschleicht. Rund um ihn gruppiert sich mit Habjan, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt und Alexandra Henkel ein kleines, aber exquisites Ensemble, das im rasanten Wechsel von Schau- zu Puppenspiel und retour große Klasse zeigt.