Der formelle Anlass für das Gedenkkonzert für Joseph Roth, dieses Herzensprojekt der selbst aus Brody stammenden Dirigentin Oksana Lyniv, ist der sich am 2. September zum 125. Mal jährende Geburtstag des Autors und großen Humanisten. Als nostalgischer Chronist der verlorenen Welt des Ostjudentums, eines vermeintlich idyllischen Kakaniens, wurde der 1939 in Paris verstorbene Roth zum Bindeglied zwischen der österreichischen, jüdischen und ukrainischen Kultur - und damit prädestiniert als Aushängeschild des laufenden österreichisch-ukrainischen Kulturjahres, in dessen Rahmen die Veranstaltung in Brody stattfand.

Im Zentrum des Abends stand Leonard Bernsteins monumentale 3. Symphonie "Kaddish" aus 1963, benannt nach dem jüdischen Totengebet, zu der sich rund 200 Künstler auf der Freilichtbühne einfanden. Während Lyniv als Festivalleiterin das Inso-Lviv-Orchester und zwei Chöre dirigierte, übernahm Sunnyi Melles den Part der inbrünstigen Rezitatorin im Wechselspiel von Anklage gegen Gott und Verbrüderung mit dem Schöpfer. Als Solosopran gesellte sich die aufstrebende Südafrikanerin Pumeza Matshikiza hinzu.

Oksana Lyniv (41), noch kommende Saison Chefdirigentin der Oper Graz
Oksana Lyniv (41), noch kommende Saison Chefdirigentin der Oper Graz © Photowerk/Werner Kmetitsch

Die selten gespielte und in ihrer aufrichtigen Sinn- und Glaubenssuche berührende Symphonie Bernsteins wurde so abseits gängiger Konzertusancen zu einem Andachtsabend. Nicht nur die Verbindung zu Joseph Roth entfaltete dabei ihre Wirkung, auch der Umstand, dass Bernsteins Vater Sam nur unweit des Aufführungsortes, in Riwne, geboren wurde, trug zur Aura des Abends bei. Als dessen Präludium hatten überdies das "Kyrie Eleison" der zeitgenössischen, ukrainischen Komponistin Bogdana Frolyak und zwei Auftragswerke des US-Sängers Abraham Brody fungiert.

Dass Joseph Roth von seiner Heimatstadt zum runden Geburtstag mit einer derart großen Geste gefeiert wird, erscheint nur recht und billig, setzte er als Autor Brody doch in seinen Romanen wie dem epochalen "Radetzkymarsch" oder "Das falsche Gewicht" nicht nur ein Denkmal, sondern machte die Stadt an der Grenze des Reiches im deutschsprachigen Raum überhaupt erst bekannt. Und doch war die Liebe über Jahrzehnte erkaltet.

Heute ist die Ruine der Synagoge inmitten der rund 23.000 Einwohner zählenden und knapp 100 Kilometer östlich von Lemberg gelegenen Stadt eines der raren Zeugnisse der früheren jüdischen Vergangenheit Brodys. Hatte die Stadt einst als Grenzort der Habsburger-Monarchie zu Russland eine gewisse Bedeutung und zählte neben Roth etwa auch Sigmund Freuds Über-Mutter Amalia zu ihren Kindern, wurde sie im Zweiten Weltkrieg praktisch bis auf die Grundmauern zerstört.

Neben dem transitorischen Gedenkkonzert, zu dem sich praktisch die gesamte Stadt auf die Beine gemacht hatte, erinnert Brody seit Sonntag nun aber auch dauerhafter an ihren großen Sohn. Vor seiner einstigen Schule wurde eine von Volodymyr Tzisaryk geschaffene Bronzebüste des Jubilars enthüllt. Nach Jahrzehnten des Vergessens, scheint sein Geburtsort den großen Brückenbauer zwischen den verschiedenen Identitäten und Kulturen wieder zu entdecken, wobei als Postillon d'amour Oksana Lyniv fungiert. Und deren Engagement blieb am Abend auch nicht unbedankt, erhielt die 41-Jährige doch auf offener Bühne die Ehrenbürgerschaft ihrer Stadt verliehen.

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LvivMozArt würdigt den Komponisten Franz Xaver Mozart

Mozart lebte 30 Jahre in Lemberg. Auch wenn dies den Tatsachen entspricht, muss Salzburg nicht um seinen Säulenheiligen fürchten, handelt es sich bei besagtem Mozart zwar um einen, aber nicht den Komponisten. Franz Xaver Mozart, Sohn von Wolfgang Amadeus, verbrachte einen Großteil seines Lebens in Galizien. Und wie an der Salzach, würdigt man auch in der Ukraine seinen ganz persönlichen Mozart.

Porträt von Franz Xaver Mozart, 2016 in einer Schau in Salzburg
Porträt von Franz Xaver Mozart, 2016 in einer Schau in Salzburg © APA/AFP/JOE KLAMAR

Seit 2017 gibt es in Lemberg - ukrainisch vokalsparender Lwiw - das LvivMozArt, ein Festival zu Ehren des Tonsetzersprosses. Die Initiative dazu ging von der umtriebigen Grazer Chefdirigentin Oksana Lyniv aus. Und das Konzept von Lyniv in Lwiw geht auf, hat die 41-Jährige doch binnen kürzester Zeit eines der mit Abstand größten Klassikfestivals der Ukraine auf die Beine gestellt.Bis 11. August sind nun unter anderen Klezmer-Ikone Giora Feidman mit seiner Klarinette und dem Gershwin Quintett oder Sopranistin Pumeza Matshikiza mit einem Galakonzert zu hören. Als Rahmenprogramm gibt es eine Ausstellung zum Thema "Musik und Literatur" im zentral gelegenen Potocki Palast, die von der Salzburger Stiftung Mozarteum unterstützt wird. Eben diese stellt am Dienstag (6. August) auch das Kammerkonzert "Mozart - Verbindung der Generationen" anlässlich des 300. Geburtstages des Mozart-Vaters Leopold am 14. November vor. Und unter dem Titel "Mit Mozart nach Prag" gibt es ein ursprünglich für die Wiener Philharmoniker entwickeltes Kinderkonzert für die kleinsten Zuhörer.

Somit stellt das LvivMozArt einen der wesentlichen Bausteine des Kulturjahres Österreich-Ukraine dar. Seit Jahresbeginn zieht sich der Kulturreigen mit den verschiedensten Veranstaltungen. Gut 200 Projekte wurden auf ukrainischer respektive österreichischer Seite im Rahmen des Jahres organisiert. Zu den Vorhaben, die für heuer noch geplant sind, zählt etwa die am 8. August im Salzburger Fotohof startende Ausstellung "Playing the Past" und eine ukrainische Nacht im Museumsquartier am 3. Oktober, während es bei der Viennale eine Auswahl ukrainischer Filme geben soll. Beim Lyrikfestival Meridian in Czernowitz sind ab 5. September österreichische Programmpunkte eingeplant, und am 31. Oktober wird die MozArt Sinfonietta Salzburg unter Chungki Min im Mozarteum Werke zeitgenössischer ukrainischer und österreichischer Komponisten aufführen. Mit dem Filmarchiv und dem Filmmuseum sind ebenso Kooperationen geplant wie im November im Stephansdom ein Abend mit geistlicher Musik aus der Ukraine.

Aber nicht nur die dezidierte Kultur, auch die Wissenschaft soll in dem Kooperationsjahr eine Rolle spielen. Dazu zählen Vorträge durch die Historikerkommission mit Wissenschaftern beider Seiten. Das Jahr endet dann im Dezember mit einer Konferenz unter dem Titel "Zwischen Kiew und Wien" in der österreichischen Bundeshauptstadt.

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