Schafft er's, oder schafft er's nicht? Erst einmal, 1932, ist es in der Geschichte der Salzburger Festspiele passiert, dass Ersatz für einen Jedermann gefunden werden musste. Am Donnerstagabend war der historische Einzelfall jedoch notgedrungen Geschichte: Philipp Hochmair sprang für den erkrankten Tobias Moretti ein - und drückte dem Jedermann seinen ganz eigenen Stempel auf.

Von Ersatz konnte da nicht die Rede sein, Hochmair machte die Figur zum Lebemann par excellence. Denn nach sechs Vorstellungen war erst einmal Schluss für Moretti, der in diesem Jahr zum zweiten Mal seinen Jedermann an der Salzach gab. Dabei standen die Sterne zu Beginn der Festspiele noch so gut. Michael Sturmingers Nacharbeiten an der Inszenierung stießen größtenteils auf Gefallen und auch der Hauptdarsteller hatte seine Hausaufgaben gemacht und seine Rolle noch einmal mit neuem Tiefgang versehen. Doch dann die Hiobsbotschaft am Mittwoch: Moretti ist an Lungenentzündung erkrankt und kann nicht spielen.

Ein Einspringer musste her und der kam in der Pressemeldung der Festspiele gleich wie Phönix aus der Asche: Philipp Hochmair, ehemaliger Burgschauspieler. Zugegeben, die Wahl ist nicht ganz unbegründet und Hochmair mit dem Jedermann durchaus vertraut. Mit seiner Rockversion des Hofmannsthal-Stoffes "Jedermann Reloaded", die 2013 für das Young Directors Project in Salzburg entstand, tourt er durch die Lande, in fast allen Rollen und in einer freieren Textversion. Die Anlagen sind also da und Hochmair spontan genug, um das Kunststück zu wagen. Dennoch, der Druck war groß.

Um Milde gebeten

Deshalb trat Schauspielchefin Bettina Hering zu Beginn des Abends wie die Guten Werke vor das Publikum und bat um Milde. Vor nicht einmal 30 Stunden habe Hochmair von seinem Schicksal erfahren, allerdings sofort eingewilligt und nur eine Probe am Nachmittag gehabt. Die Erklärung wäre nicht vonnöten gewesen, aber das konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen. 

Jedermann wurde zum Partytier. Ab der ersten Minute schlug Hochmair ein hohes Tempo an, was wiederum gut zu Michael Sturmingers Inszenierung passte. Lustig, aufgeweckt und immer ein bisschen ironisch manövrierte er sich durch die Tischgesellschaft, stets bemüht, den drohenden Wahnsinn zu überspielen. Immer mit einem kecken Lächeln auf den Lippen hängt er am Leben und sieht es gar nicht ein, sich der Gesellschaft, jeglichen Konventionen oder gar dem Tod zu beugen.

Dazu hatte er die richtige Partnerin an seiner Seite, zumindest vorerst. Stefanie Reinsperger als Buhlschaft konnte bei der Dynamik locker mithalten und ließ sich von Hochmairs spielfreudigem Übermut anstecken. Dieses Paar hat Spaß, aber nur solange, bis Jedermanns letztes Stündlein schlägt, dann hat der Spaß schnell ein Ende. Doch auch das mochte Hochmairs Jedermann noch nicht den Ernst der Lage vor Augen führen, eher Trotz hervorrufen. Wie soll er da noch zur Einsicht kommen? Der Bruch kam prompt, ausgelöst von den Werken, als die Marvie Hörbiger Hochmair deutlich einbremste und er so neben all der Leichtigkeit zur nötigen Tiefe fand.

Das Kunststück ist gelungen - ohne Stolpern, dafür mit Staunen und auch das Wetter blieb bis zum Ende gnädig. Vergleiche mit Tobias Moretti zu ziehen wäre unangebracht und würde keinem der beiden gerecht. Da stehen dieses Jahr nun zwei grundverschiedene Jedermänner auf dem Domplatz. Dass Philipp Hochmair allerdings eine flotte und erfrischende Interpretation der Titelrolle zeigte, stand nach knapp eineinhalb Stunden völlig außer Frage. Da war man sich auch im Publikum einig und honorierte mit großem Applaus und stehenden Ovationen. Auch wenn Moretti eine baldige Genesung zu wünschen ist, so wäre ein Wiedersehen mit Philipp Hochmair durchaus spannend.