Ein Oratorium wollte Camille Saint-Saëns schreiben, ein Oratorium ist „Samson et Dalila“ auf weite Strecken geblieben – gewaltige Chöre, betörende Arien, kaum Handlung. Wehe der Regisseurin, die dem Stillstand Bewegung einhauchen muss.

Es vergehen zwei der drei Akte, ehe Alexandra Liedtke zu dem dunklen Sog der Musik fesselnde Bilder findet. Am Ende steht der geblendete Befreier verloren auf einem überdimensionalen Laufsteg, rechts und links von ihm heben siegreiche Philister die Sektflöten auf ihren Sieg. Das Bacchanal führt ihnen im grellen Scheinwerferlicht die Erniedrigung des scheinbar unüberwindlichen Feindes noch einmal vor Augen, in Bildern, die an das US-Foltergefängnis von Abu Ghraib erinnern.

Hier bewährt sich der Verzicht Liedtkes und ihrer Ausstatter Raimund Orfeo Voigt (Bühne) und Su Bühler (Kostüme) auf Orientalismen. Hier und nur hier geht Liedtkes Idee auf, dem platten Heldenepos, das Librettist Ferdinand Lemaire aus der biblischen Geschichte gezimmert hat, auszuweichen und stattdessen die Gräuel von Krieg und wechselseitiger Unterdrückung zum Thema zu machen.

Vor der Pause hatte man die Hoffnung auf Verdichtung schon aufgegeben. Da wurden chorisch Arme gereckt, Samson stolzierte an der Rampe umher, böse Philister grimassierten gefährlich, ließen sich ihre Gewehre aber mühelos von waffenlosen Hebräern entwinden. Im zweiten Akt turteln Samson und Dalila am Rande einer vollen Badewanne, die Roberto Alagna und Elna Garanča zu neckischem Herumspritzen einlädt. Der irritierte Betrachter begnügt sich mit der prächtigen Tonspur.

Roberto Alagna bewältigt die schwere Partie mit strahlender Kraft, die erst am Ende seines Bühnenlebens zu brechen droht. Nuancierung liegt seinem metallischen Tenor weniger als die auftrumpfende Geste. Dass Samson sexuelles Begehren zu Dalila drängt, zeigt Alagna so wenig, wie seine kühle Partnerin Gefühle verrät. Zu deren Rolle aber passt die kalte Glut. Ihre Liebe dient der Rache, sie ist gespielt, gut gespielt und berückend schön gesungen. Dass schlechter Charakter herrlichem Gesang nicht im Wege steht, beweist auch Carlos Álvarez als korrupter Oberpriester des Dagon. Auch der facettenreiche Bariton erliegt der Verführungskunst Dalilas. Zu Recht hebt ihn das Publikum in die Riege der umjubelten Publikumslieblinge.

Im Mittelpunkt aber stehen die Völker. Kompakt, wuchtig und trotzdem nuanciert bewältigt der Staatsopernchor die gewaltige Aufgabe. Marco Armiliato formt orchestrale und stimmliche Pracht zum imposanten, rätselhaften Gesamtwerk. Jubel für die Musik, das Regieteam bekam einige Schrammen ab.