Das sind fürwahr große Fußstapfen, in die Toni Morrison ihren Landsmann gesteckt hat, aber der Geehrte wird nicht darin versinken. „Ich habe mich gefragt, wer die Lücke füllen kann, die James Baldwin hinterlassen hat“, schrieb die Literaturnobelpreisträgerin kurz vor ihrem Tod im Vorjahr. „Jetzt weiß ich es: Ta-Nehisi Coates.“

Ebenso wie die große Toni Morrison ist auch der 45 Jahre alte Ta-Nehisi Coates kein einsamer Bewohner des Elfenbeinturms, nicht „nur“ Schriftsteller; seine laute Stimme und sein konkretes Handeln standen immer auch im Dienst seiner afroamerikanischen Mitbürger, deren soziale Chancen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch immer sehr begrenzt sind.

Im furiosen Text „Zwischen mir und der Welt“ beschrieb er 2014 seinem Sohn, wie unterschiedlich Schwarze und Weiße noch heute behandelt werden, in „Plädoyer für Reparationen“ fordert er von den USA Wiedergutmachungszahlungen. Sein schlagkräftiges Argument: Sklaverei und Rassentrennung gehören nicht der Vergangenheit an, sondern würden noch immer nachwirken.

Jetzt hat Ta-Nehisi Coates seinen ersten Roman vorgelegt, den er folgerichtig dort ansiedelt, wo das Übel seine Wurzeln hat. Eine Tabakplantage in Virginia kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs 1865. Die Böden sind ausgelaugt, die Sklaven auch. Hiram wächst dort auf, er besitzt ein fotografisches Gedächtnis, nur an seine verschleppte Mutter kann sich der Bub nicht erinnern.

Im Alter von 18 Jahren gelingt ihm, dem „Bastard“ des weißen Plantagenbesitzers, die Flucht, auf der er entdeckt, dass er über Superkräfte verfügt. Das mag auf den ersten Blick verstören, ist aber ebenso folgerichtig. Ta-Nehisi Coates hat zuletzt für Marvel Superhelden-Comics der Serie „Black Panther“ geschrieben. Dass er auch seine Romanfigur mit magischen Kräften ausstattet, ist ein unverhohlenes und starkes Symbol für Empowerment und Black Consciousness.

„Meine Aufgabe war es, die Geschichte von Sklaven zu erzählen. Der Geschichte ihrer Herren hat es nie an Erzählern gefehlt.“ Diesem Motto zu Beginn des Buches ist wenig hinzuzufügen. Nur so viel: Ta-Nehisi Coates hat mit stilistischer Wucht, aber auch Zärtlichkeit eine ebenso verstörende wie betörende Fiktion geschrieben, die in Wahrheit keine ist.

Die Sklaverei ist zu Ende, aber die unerhörte Geschichte der Ungehörten muss immer wieder erzählt werden. Ta-Nehisi Coates tut das. Und wir sind verpflichtet, seine Worte zu hören und zu lesen.

Buchtipp: Ta-Nehisi Coates. Der Wassertänzer. Blessing,
544 Seiten, 24,70 Euro

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