Runde 25 Jahre lang war John le Carrés neuer Protagonist, kurz Nat genannt, für den britischen Geheimdienst im Außeneinsatz. Vorwiegend in Moskau. Seine Hauptaufgabe: das das Rekrutieren potenzieller Doppelagenten. Nach seiner Rückkehr in seine Heimat rechnet er fix damit, in den Ruhestand geschickt zu werden. Knappe 47 Jahre alt ist er erst, aber er gilt als Auslaufmodell.

Finten überall

Was ihm bleibt, ist eine glückliche Ehe und die Leidenschaft für das Badminton-Spiel. Umso überraschter ist Nat, dass er eine neue Aufgabe bekommt. Er soll rund um London das reichlich ramponierte Agenten-Netz neu aufbauen, vor allem aber soll er einen russischen Oligarchen, Putin-Freund mit Allmachtswahn, kalt stellen. Beim Badminton-Spiel lernt Nat einen jungen Mann namens Ed, Typ Weltverbesserer, kennen. Ein Treffen mit Folgen. "Federball" ist ein durchaus passender Titel für ein neuerliches, brisantes Meisterwerk von John le Carré, reich an Finten, Fehlschlägen, falschen Manövern. Es würde an Hochverrat grenzen, mehr über die enorm spannende Story preiszugeben.

"Blanker Irrsinn"

Aber der mittlerweile 88 Jahre alte König des Spionage-Genres hat noch etwas anderes im Sinn. Er zeigt eine aus allen Fugen geratene Welt, er rechnet mit Trump, Putin und den Brexit-Befürwortern ab und feuert sie, reichlich zerzaust, wie Federbälle durch die Luft. In einer Welt, die geistig und moralisch "absolutly kaputt" ist (le Carrė).

Zu seinem Sprachrohr in diesem mit viel Brisanz aufgeladenen, düsteren Zeitbefund wird Ed. Der Brexit sei der "blanke Irrsinn", der in ein "beschissenes Chaos" geführt habe. Als "zehntklassige Politiker" tauchen Englands Spitzenpolitiker auf, allen voran Boris Johnson, der zum "verfluchten Narzissten" verkommt. Ähnliche Titulieren gibt es auch für Donald Trump und Vladimir Putin. Im Zentrum steht daher auch die Frage, wem denn die Geheimdienste überhaupt noch Material liefern sollen, angesichts des Mangels an politischen Führungskräften, die sich im Machtrausch befinden und, wie Trump, "eine Bedrohung für die gesamte Welt sind." Absolute Pflichtlektüre.

Lesetipp: John le Carré: "Federball". Ullstein, 352 Seiten, 24,70 Euro.