Erika Pluhar spielte in ihrem Leben zahlreiche Rollen: als Schauspielerin, Sängerin und Autorin. Die schwierigste aber war ihre Rolle als Mutter, von der sie selbst sagt "Ich bin nicht zum Muttersein geboren". Fast 20 Jahre nach dem Tod ihrer Tochter Anna hat Pluhar mit "Anna - Eine Kindheit" einen Roman vorgelegt, der sich als große Selbstanklage gegen sich als Mutter liest.

Obwohl keine Autobiografie, kann dieser Text durchaus als autobiografischer Roman bezeichnet werden, in dem Pluhar mutig intime Details preisgibt. Drei Jahre habe sie an dem Buch geschrieben, das zwar eine Aufarbeitung sei, aber auch Fiktion, erzählte Pluhar in Interviews. Der Roman ist aus der Sicht der Tochter Anna erzählt, die 1999 an einem Herzversagen als Folge eines Asthmaanfalls starb.

Daran spießt sich dieser Text, der besser funktioniert hätte, wäre er aus der Sicht der Mutter geschrieben worden. "Es gab für sie nicht das, was für ein kleines Kind ebenso zählt wie Nahrung: beide Eltern schenkten Anna zu wenig Körpernähe und Zärtlichkeit. Es gab 'das Knuddeln' nicht", lässt Pluhar ihre Anna im Roman denken. In Zeilen wie diesen sind die Selbstvorwürfe der Mutter unüberhörbar, Anna tritt als Figur völlig in den Hintergrund. So auch an anderen Stellen, wenn Pluhar den Grund für Annas Asthmaerkrankung bei sich sucht: "Daß .... auch Sehnsucht nach der Mutter, nach einer familiären Geborgenheit bei dem Kind dieses Krankheitsbild hervorgerufen haben könnte, bedachte vorerst niemand."

Die echte Anna wuchs in den 60er-Jahren als Prominentenkind von Pluhar und dem Designer Udo Proksch auf, der später wegen sechsfachen Mordes und Versicherungsbetrugs im Fall Lucona zu lebenslanger Haft verurteilt wurde - eine Tatsache, die im Buch übrigens unerwähnt bleibt. Anna wurde zwischen wechselnden Kindermädchen, den Großeltern und einem Kinderheim in der Schweiz hin- und hergeschoben, zumal Pluhar zu dieser Zeit dabei war, sich als Schauspielerin einen Namen zu machen und der "Dada", wie Vater Proksch im Buch genannt wird, seinen Geschäften, dem Alkohol und anderen Frauen frönte.

Beispielhaft für das Umfeld, in dem Anna aufwuchs, steht eine Szene im Buch, in der "plötzlich ein betrunkener Vater hereinstürmte, böse lachend etwas vom 'Weihnachtsschmaus' lallte und drei tote Fische unter den Tannenbaum warf". Schonungslos beschreibt Pluhar auch, wie Proksch sie vor ihren Eltern und der kleinen Tochter schlug. "Ich hatte diese blöde Illusion, dass man erst etwas ist, wenn der Prinz kommt. Ich wurde erst viel später eine Kämpferin für das selbstverständliche Frau-Sein", sagte Pluhar kürzlich in einem Interview mit dem deutschen Frauenmagazin "Frau im Spiegel". Proksch kommt im Roman trotzdem vergleichsweise gut weg, Anna liebte ihren "Dada" sehr.

Nach der Scheidung von Proksch heiratete Pluhar den um acht Jahre jüngeren Andre Heller, der damals noch DJ war. "Er ist erst zweiundzwanzig! Ich heirate ein Kind!", ruft die Mutter im Roman aus. Doch auch diese Ehe scheiterte. Erst mit dem Schauspieler Peter Vogel, mit dem Pluhar eine Zeit lang liiert war, war sie glücklich, wenngleich dieses Glück nicht lange währte: Auch Vogel erwies sich als dem Alkohol nicht abgeneigt und nahm sich das Leben.

Das wechselhafte Leben der Pluhar ist auch wenige Monate vor ihrem 80. Geburtstag noch nicht auserzählt. Schon in "Die öffentliche Frau" (2013) oder "Verzeihen Sie, ist das hier schon die Endstation?" (2001) hat sich Pluhar autobiografisch mit ihrem Leben auseinandergesetzt. Bis dato erschienen fast zwei Dutzend Bücher von ihr. "Schreiben möchte ich können, bis zu meinem letzten Tag", denkt Pluhar noch nicht daran aufzuhören.