Gloria! Der Name eine Hypothek; eine Last für den Menschen, die Frau, die oft kaum zu tragen ist. An ihrem 70. Geburtstag erhält Monika einen Brief ihrer Schulfreundin Gloria, geschrieben von deren Nichte. Sie, Gloria, wolle "Moni" noch einmal sehen, bevor sie sterbe. Moni fährt hin, nach Bregenz, in die jetzt baufällige Villa, mit der so viele Erinnerungen verbunden sind.

Das Treffen der beiden Frauen wird zu einer Doppelconférence, in deren Mittelpunkt eine tiefe, aber schwierige Freundschaft steht. Und dann sagt Gloria: "Schreib über mich, Moni, denn wenn ich sterbe, ist dann noch etwas von mir da."

Nach ihrer höchst erfolgreichen und literarisch außergewöhnlichen Familientrilogie "Die Bagage", "Vati" und "Löwenherz" hat die Vorarlberger Schriftstellerin Monika Helfer wieder eine Figur aus ihrer Biografie herausgeschält. Doch nie ist das bei ihr plumpe Autofiktion, immer sind es Lebensstücke, die in Literatur transformiert werden; verfeinert, verdeutlicht, oft verfremdet und dadurch über das Persönliche, Einzelne hinausreichend.

Helfer schreibt kühl, aber nie kalt. Sie verheddert sich nicht in Wortgirlanden, sie verdichtet; ihre Menschenbeschreibungen sind intim, aber nie ausbeuterisch. "Die Jungfrau", so der Titel des neuen Romans, bezieht sich auf das Geheimnis, das Gloria ihrer Freundin bei diesem Treffen offenbart: "Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen."

Zwei ungleiche Leben

Sie, der Männerschwarm, die Tochter aus reichem Haus, aufgewachsen bei der exzentrischen Mutter, nach dem abwesenden Vater sucht sie zeitlebens. Sie, die Abenteuerlustige, die Kühne, die dennoch eine Fremde in dieser Welt blieb. Unberührt, nicht nur von den Männern. Es geht um zwei ungleiche Leben mit großer Anziehungskraft, aber auch schroffen Gegensätzen. Moni kommt aus einem armen Elternhaus, schlittert in eine gewalttätige erste Ehe.

Immer wieder kreuzen sich die Lebenswege der beiden Frauen, führen wieder auseinander. Gloria lebt zwischen Glanz, Lüge, Fantasie und Selbstbetrug; Monika bekommt vier Kinder, heiratet ein zweites Mal, wird Schriftstellerin.

Vieles bleibt in der Schwebe, vieles unausgesprochen. Auch das ist eine Stärke von Monika Helfer. Sie verweigert sich der Eindeutigkeit, lässt dem Geheimnisvollen Raum. Was sind Fakten, was ist Fiktion, was Wahrheit? Geschenkt! Literatur ist für Wahrhaftigkeit zuständig. Monika Helfer weiß das.

Buchtipp: Monika Helfer. Die Jungfrau. Hanser,
150 Seiten, 22,70 Euro.

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