"Das Labor der Zukunft" lautet das Motto der 18. Architekturbiennale von Venedig, die am Samstag ihre Tore öffnet. Zahlreiche Länderbeiträge widmen sich aber nicht nur dem künftigen Bauen, sondern auch den gegenwärtigen Herausforderungen und schlagen Brücken zum nachhaltigen Zusammenleben. Erstmals seit 2014 ist auch die Ukraine – gleich an zwei Orten – vertreten, der russische Pavillon bleibt geschlossen.

Das Architekturkollektiv AKT und der Wiener Architekt Hermann Czech (85) gestalten in einer generationenübergreifenden Kollaboration den österreichischen Beitrag auf der 18. Architekturbiennale von Venedig, die von 20. Mai bis zum 26. November 2023 stattfinden wird. Insgesamt waren im Zuge der Ausschreibung 18 Bewerbungen eingegangen. Das 17-köpfige Kollektiv AKT verfolgt laut Selbstdefinition das Ziel, "die unabhängige und utopische Produktion von Raum zu fördern". Zum Kollektiv gehören u. a. Gerhard Flora, Lena Kohlmayr, Susanne Mariacher und Harald Trapp.

In die Vergangenheit als Inspiration für die Zukunft blickt der Pavillon der nordischen Länder (Finnland, Norwegen und Schweden) und widmet sich den Samen – jenem indigenen Volk, das im Norden Fennoskandinaviens beheimatet war: Mit "Girjegumpi: The Sámi Architecture Library" präsentiert der samische Konzeptkünstler Joar Nango eine "nomadische kollaborative Bibliothek". Auf Basis von 500 Büchern, die sich mit Themen wie samischer Architektur und Design, Ahnenkultur, Aktivismus und Dekolonisation auseinandersetzen, hat er einen Raum geschaffen, in dem der handwerkliche Umgang mit lokalen Ressourcen im Fokus steht. Dabei geht es – von der Verwendung von Leder bis zur Verarbeitung von Holz – um die Handhabung von Materialien vor dem Hintergrund der sich rasant ändernden klimatischen Verhältnisse. Aus Holz und Fellen gefertigte Leseinseln laden zum Schmökern und Diskutieren ein, um ein Schlaglicht auf eine Architektur zu werfen, die ein "polyfones Verständnis der Welt" mibringt.

Inklusive Rampe

"Wegen Umbau geöffnet" ist der deutsche Pavillon, der auf den ersten Blick einem Baumarkt gleicht: Statt einer Ausstellung setzt man hier auf einen "Handlungsansatz für eine Baukultur jenseits der vorherrschenden Ausbeutung von Ressourcen und Menschen". Gestapelt und gezeigt werden gebrauchte Materialien von über 40 Länderpavillons der Kunstbiennale des Vorjahres, von einzelnen Brettern über Metallfüße bis hin zu Lüftungsrohren. Eine Brücke zum Vorjahr schlägt man auch mit der Entscheidung, an der künstlerischen Arbeit "Relocating a Structure" der Künstlerin Maria Eichhorn für die Kunstbiennale 2022 festzuhalten, wodurch vergangene Strukturen in Böden und Wänden freigelegt bleiben. Gleichzeitig wurde der Pavillon durch eine "inklusive Rampe", einen "ökologischen und diskriminierungsfreien Sanitärraum" mit Wickeltisch, einer Teeküche, einer Werkstätte und einem Versammlungsraum ergänzt. In den kommenden Monaten werden Lehrlinge und Studierende soziale Infrastrukturen Venedigs mit dem Material reparieren und instand setzen.

Nicht minder gesellschaftspolitisch ausgerichtet ist der kanadische Pavillon unter dem Motto "Not for Sale!", in dem die Wohnungsnot ins Zentrum gerückt wird. Dabei wird in Hinblick auf den Landraub gegenüber der indigenen Bevölkerung auch ein verstärkter Blick auf Kanadas "Geschichte der Ungerechtigkeit und Marginalisierung" geworfen. Die Ausstellung wird von der Organisation "Architects Against Housing Alienation" (AAHA) als Kampagne betrachtet, das Thema Wohnen "sozial, ökologisch und ermächtigend" zu denken. Bereits bestehende Alternativen sowie Forderungen von Aktivistinnen und Aktivisten werden den Biennale-Besuchern in Videointerviews und Schautafeln präsentiert.

Symbol für verlassene Orte

Während der russische Pavillon auch heuer fest verschlossen bleibt, ist die Ukraine unter dem Motto "Before the Future" (Vor der Zukunft) gleich doppelt vertreten: In den Giardini stößt man im Spazio Esedra auf eine Freiluftinstallation, die jenen weitgehend vergessenen Befestigungsanlagen aus dem 10. Jahrhundert in der Region Kiew nachempfunden wurde, die in den ersten Tagen der russischen Invasion reaktiviert wurden und den Vormarsch auf die Hauptstadt erfolgreich verlangsamten. Dort soll in den kommenden Monaten ein öffentliches Begegnungsprogramm stattfinden, bei dem Vertreter der ukrainischen Kulturgemeinschaft ihre Geschichten und Erfahrungen mit den Besuchern teilen werden. Die Installation im Pavillon im Arsenale gleicht unterdessen einem klaustrophobischen Raum ohne Lichtquellen und dient als "Symbol für verlassene Orte, die wieder lebendig werden können, um Räume des Überlebens und der Hoffnung für die Zukunft zu gestalten".

Info: 18. Architekturbiennale Venedig, 20. Mai bis 26. November: www.labiennale.org/en