Am 18. Juni 2022 fuhr eine Kutsche zur Wien-Premiere von Marie Kreutzers Film "Corsage" vor dem Wiener Gartenbaukino vor. "Kaiserin" Vicky Krieps und Regisseurin Marie Kreutzer winkten dem Publikum zu. Viele Darstellerinnen und Darsteller des Sisi-Films betraten zum Abschluss des Screenings unter Applaus die Bühne. Auch der nun wegen Abbildungen und Videos mit Kindesmissbrauch angeklagte Schauspielstar Florian Teichtmeister war da. "Heute Abend wird ein Täter auf der Bühne stehen und bejubelt werden. Und es gibt nichts, was wir dem entgegensetzen können", schrieb die Regisseurin und Drehbuchautorin Katharina Mückstein damals auf ihrem Instagram-Profil. Nach Medienberichten im September 2021 vermuteten viele in der Branche, dass es sich um das Burgtheater-Ensemblemitglied Teichtmeister handeln könnte.

Gemeint war ein anderer. Sein Name konnte aus medienrechtlichen Gründen nicht genannt werden. Die Gerüchte hielten sich hartnäckig. Mit der Anklage gegen Teichtmeister rückte die zweite Person nun wieder in den Fokus. Vorwürfe gegen ihn soll es aber schon vor der "Corsage"-Premiere gegeben haben: Wie Maria Rösslhumer von den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern gegenüber der Kleinen Zeitung nun bestätigte, bot sich ausgerechnet dieser Darsteller als einer von sechs prominenten Männern an, an der Anti-Gewalt-Bewusstseinskampagne "Schluss mit den Ausreden" teilzunehmen. Der Spot wurde gedreht und ging in den sozialen Medien im Februar 2021 online.

#MeToo-Affäre um mehr prominente Schauspieler

"Daraufhin haben mehrere Gewaltbetroffene, Bekannte oder Zeuginnen bei uns angerufen, warum wir ausgerechnet diesen Schauspieler dafür nehmen!" Mehr noch: Auch ein Betriebsrat eines prominenten Theaters meldete sich bei den Frauenhäusern und erklärte, dass es zudem gegen eine weitere Person im Spot im Unternehmen Vorwürfe gebe. Also: Zwei von sechs Männern, die sich gegen Gewalt gegen Frauen aussprachen, wurden von Betroffenen Übergriffe vorgeworfen. Der Verein reagierte sofort, nahm den Spot offline, ersetzte ihn durch einen animierten Film und machte die Gründe für die Rücknahme in einer Aussendung publik.

"Dass sich die Männer für die Rollen im Video überhaupt beworben haben, zeigt, dass sie kein Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen haben", sagte die Geschäftsführerin damals. Eine nicht selbst betroffene Frau soll nach Debatten im Netz daraufhin den Namen des Beschuldigten – des zweiten "Corsage"-Darstellers – in ihren sozialen Netzwerken genannt haben. Daraufhin soll der Schauspieler auf Rufschädigung und Verleumdung geklagt haben. Es kam, ersten Recherchen zufolge, zu keiner Klage, sondern einer Einigung. "Mein Mandant ist gerichtlich unbescholten", sagt der aktuelle Anwalt des Darstellers, Christoph Völk, zur Kleinen Zeitung. Und: "Es gibt und gab keine Ermittlungen gegen ihn."

Die Produktionsfirma Film AG ("Corsage") ließ heute in einem Statement ausrichten: "Natürlich nehmen wir solche Vorwürfe ernst, auch wenn sie nichts mit der Produktion des Films 'Corsage' direkt zu tun haben." Marie Kreutzer habe im Sommer letzten Jahres Stellung genommen – die Rede ist von Antworten im "Profil". "Sie hat bereits damals sowohl mit dem Schauspieler als auch mit vielen Hinweisgebern versucht, den Gerüchten auf den Grund zu gehen. Wir hatten gestern noch einmal ein ausführliches Gespräch mit dem Schauspieler. Auch dieses Gespräch hat für uns keinen neuen Informationsstand gebracht", heißt es darin.

Neue Details zum "Corsage"-Dreh

"Corsage" steht nach wie vor auf der Oscar-Shortlist für den besten internationalen Film, am 24. Jänner sollen die Nominierungen bekannt gegeben werden. Teichtmeister muss sich im Februar vor Gericht verantworten, das Burgtheater hat ihn entlassen und "Nebenan" vorerst abgesetzt. Der ORF schickte ihn in seiner Serienrolle als Ermittler Palfinger in "Die Toten von Salzburg" im Skript kurzerhand auf Kur.

In der Causa Teichtmeister hätte man, so die Produktionsfirma Film AG, nach Bekanntwerden der Vorwürfe noch einmal Kontakt mit allen Mitarbeitenden am "Corsage"-Set aufgenommen und untersucht, ob der 43-Jährige Fotos oder Videos mit den am Set anwesenden Kindern aufnehmen hätte können. Er hatte "elf Drehtage, zehn davon im März 2021 sowie einen Drehtag Ende Juni 2021. Vier von diesen Drehtagen haben sich mit Drehtagen eines damals zehnjährigem Mädchens überschnitten", so ein Sprecher der Film AG. Dieses Mädchen sei "durchgehend von einer von uns engagierten Kinderbetreuerin bzw. einem Kindercoach beaufsichtigt worden und in keiner Sekunde unbeobachtet" gewesen. Und: "Auf dem Set herrschte ein striktes Handy- und Fotografieverbot."

Es hätte noch weitere Drehtage gegeben, an denen Minderjährige am Set waren. "Ein damals siebenjähriger Bub, ein Kinderchor (rund 25 Burschen zwischen 8 und 12 Jahren) und ein 16-jähriges Mädchen", hieß es. Alle zuständigen Kinderbetreuerinnen bzw. Kindercoaches sowie Eltern haben uns auf Nachfrage bestätigt, dass die Kinder nie unbeaufsichtigt waren bzw. es hinter der Kamera kaum bis keinen Kontakt mit Florian Teichtmeister gab."