Eltern können es ja berechnen, aber das heißt noch lange nicht, dass ihr Kind dann auch wirklich als „Christkindl“, also am 24. Dezember, das Licht der Welt erblickt. Wissen Sie, wie Ihre Eltern damals auf das „Gelingen“ reagiert haben?
HARALD SERAFIN: Sie haben sicher gerufen: Wunderbar! Wo hätte ich das denn sonst später hergenommen?

War es für Ihre Mutter eine leichte Geburt?
Überhaupt nicht, denn einen Kaiserschnitt gab es damals ja noch nicht. Es dauerte zehn Stunden. Aber letztlich ging es gut. So gut, dass ich wohl ein einmaliges Produkt wurde, gesegnet mit vielen Talenten: Sänger, Schauspieler, Komödiant, Häuslbauer, Geschäftsführer und – das war die letzte Steigerung – Vater zweier gelungener Kinder. Letztendlich war alles Anpassungsarbeit an meine Frau Ingrid, genannt Mausi. Ich habe mich ihr vollkommen unterworfen, deshalb sind wir auch schon seit 40 Jahren verheiratet, und es ist unglaubliches Glück, dass ich eine solche Frau gefunden habe, die sich in mich verliebt und aus mir in vier Jahrzehnten einen anständigen Menschen gemacht hat.

Harald Serafin mit seiner Frau Ingrid
Harald Serafin mit seiner Frau Ingrid © APA/HANS PUNZ

Hat es nicht im Café Sacher begonnen, wo sie saß und von Ihnen mit „Na, gnädige Frau, so allein?“ angesprochen wurde, und sie antwortete: „Aber nicht mehr lange“?
Ja, offensichtlich hat sie bereits damals alles geahnt ...

Ihre Wiege stand in Litauen?
Meine Vorfahren hatten sich dorthin abgesetzt, nachdem sie Salzburg wegen der damals extremen Konflikte zwischen katholisch und evangelisch verlassen mussten. Mein Naturell pendelt zwischen österreichisch mütterlicherseits und italienisch vom Vater, aber in Litauen – einem zu jener Zeit sehr kulturoffenen Land – kamen wohl noch alle möglichen anderen Einflüsse dazu: lokale, polnische, russische, südslawische und jüdische.

Was sind Ihre ersten Erinnerungen an Weihnachten?
Meine Oma kam aus einer sehr gläubigen Familie, die ja, wie ich schon sagte, aus Glaubensgründen ausgewandert war. Die ersten Weihnachtsbilder, die ich vor Augen habe, waren Schlittenfahrten in die Kirche. Bei Eiseskälte, so um die minus 40 Grad. Trotzdem habe ich nie gefroren. Offenbar war ich stets gut vermummt. Bald kannte ich alle Kirchen ringsum auswendig. Immer durfte ich neben Oma sitzen, und als ich vier oder fünf Jahre alt war, begeisterte ich mit meinem Sopran angeblich alle Kirchenbesucher.

Trotzdem war für Sie in späteren Jahren anderes vorgesehen?
Ich begann, Medizin zu studieren. Aber was sollte einer, der kein Blut sehen konnte, damit anfangen?

Welches war Ihr erstes ganz spezielles Weihnachtsgeschenk?
Mein Vater war Reiter und hat mich ein paar Mal mitgenommen. Zunächst war ich begeistert und zu Weihnachten bekam ich ein wunderschönes Schaukelpferd. Ich bin aber nur drei Mal darauf geritten, danach stand es in einem Eck.

Ihr Leben als Kind und Jugendlicher war nicht einfach?
1939 war Litauen von den Sowjets besetzt worden, unsere Familie floh 1940 nach Memel in Ostpreußen. Als dort der Frontverlauf immer näher rückte, ging die Flucht weiter – nach Bamberg in Bayern.

Ihre Familienverhältnisse waren auch nicht unkompliziert?
Mein echter Vater, der vielleicht auch ein kleiner Filou war, hatte sich nach Schweden und Norwegen abgesetzt, um den deutschen Truppen zu entgehen. Die Ehe wurde dann geschieden und meine Mutter hatte danach einen Lebenspartner, der mich sehr liebte, sich darum kümmerte, dass ich die Matura machte und dass ich immer ein bisschen Geld in der Tasche hatte. Er wurde als Gegenpol zum „Vater“ für mich der „Vati“, mit dem ich mich sehr gut verstand.

Nach vielen Umwegen und Flüchtlingslagern: Bamberg. Wie war es dort?
Meine Mutter führte mit ihrem neuen Partner ein Geschäft mit Damen- und Herrenkonfektion, und dieses nach dem Krieg aufzubauen, war harte Arbeit. Abends wurden die Rollos heruntergelassen und die Tische hochgeklappt. Unter den Tischen waren unsere Matratzen. Wir haben faktisch in einem Waschraum gewohnt und durchgehalten. Bis sich die Eltern hochgearbeitet hatten und sich eine Wohnung und ein neues Geschäft leisten konnten.

Ihre große Karriere braucht man nicht mehr zu schildern. Sie waren auch 20 Jahre lang Herrscher in Mörbisch, das Sie zum „Mekka der Operette“ machten?
Ja, das reinste Wunder, dass ich diese zwei Jahrzehnte durchgestanden habe und noch immer aussehe wie ein Jungbrunnen.

Haben Sie je damit gerechnet, den 90er feiern zu können?
Eigentlich ja. Denn ich rauche nicht, saufe nicht, gehe viel spazieren und tu überhaupt sehr viel, dass Krankheiten bei mir nicht ansetzen können. Freunde bescheinigen mir auch gesunde Selbstironie. Und noch etwas: Ich trage niemandem etwas nach. Immer drüberspringen, hat mir mein Vati beigebracht, denn nachtragend zu sein ist wie eine Eiterbeule.

Wie feiern Sie den Heiligen Abend und den 90er?
Im kleinsten Familienkreis. Meine Tochter Martina ist nicht da, weil sie in Bolivien die „Tosca“ singt. Ihre Karriere finde ich – na wie wohl? – wunderbar! Ich habe dazu beigetragen, denn sie wollte an sich Kostümbildnerin werden. Ich habe sie unter Tränen gezwungen, sich dem Gesang zuzuwenden. Da gab es oft großen Krach. „Weil du Gold in der Kehle hast“, habe ich ihr x-mal gesagt. Bis sie sich endlich von Hilde Zadek ausbilden ließ. Sohn Daniel ist bei uns, nachdem er eben noch in Russland und in den USA war. Als künstlerischer Leiter der Opernfestspiele im Steinbruch St. Margarethen ist er heute bestens vernetzt, kutschiert fleißig in der Welt herum, hat in New York studiert, ist fleißig in die Metropolitan Opera gegangen und wurde ein ungemein kommunikativer Mensch.

Wird es diesmal besondere Weihnachtsgeschenke geben?
Ich denke, meine Frau wird wieder Gewand für mich auswählen, denn sie sorgt immer dafür, dass ich gesund und jung ausschaue. Die Mausi ist wie ich, wir sind uns in vielem gleich. Sie hat Humor, lacht gerne, trägt nichts nach und macht mich glücklich. Diese Frau ist mein wahres Lebenselixier.