Wolfgang Fellner ist ein streitbarer Mann. Er klagt die Republik Österreich. Auf Presseförderung für die Tageszeitung „Österreich“. Er klagt Mitglieder des Beirats auch persönlich, die gegen eine solche Subvention gestimmt haben. Dabei geht es um eine halbe Million Euro. Viel mehr steht aber in einem weiteren Verfahren auf dem Spiel. Fellner klagt eine ehemalige Mitarbeiterin auf Rücknahme ihres Vorwurfs der sexuellen Belästigung. Die Fernsehmoderatorin streitet vor dem Arbeitsgericht für die Unwirksamkeit ihrer Entlassung. Und ihr Ex-Chef kämpft um seinen Ruf als – (Geschäfts)Mann?

Aus professioneller Perspektive lebt er längst schon ungeniert. Fellner ist Österreichs umstrittenster Medienmacher. So wie er am liebsten Rufzeichen setzt, stellen Marktbeobachter vorzugsweise Fragezeichen hinter seine Aktionen. „Fellner! Live“, das er abwechselnd mit Sohn Niki (36) auf dem familieneigenen Bewegtbild-Kanal oe24.tv präsentiert, ist lediglich die aktuell schrillste Visitenkarte eines seit 1968 währenden Multimediatrips. Für „WoFe“ fängt mit 66 Jahren das Leben nicht erst richtig an, sondern hört die Arbeit kaum auf: „Da hat man Spaß daran.“ (©Udo Jürgens)

Mit 14 hat das schon begonnen, als er mit Bruder Helmuth (64) in Salzburg den „Rennbahn-Express“ schuf. Keine Schülerzeitung wie jede andere, sondern eine, die auf ihrem Weg zur Jugendillustrierte sogar dem „Bravo“ in Österreich das Wasser abgrub. Es folgte „Basta“, ein Zeitgeist-Magazin, das dem „Wiener“ Konkurrenz machen sollte. 1988 verkauften die Brüder beide Hefte dem „Kurier“.

Größte Magazingruppe

Dann kam „News“, der 1992 lancierte Infotainment-Titel, aus dem Österreichs größte Magazingruppe entstehen sollte. Mit ihrem prinzipiellen Vorrang von Marketing gegenüber Journalismus griffen die Fellners so ruinös das zum „Kurier“ gehörende „profil“ an, bis die Zeitung ihre Tochtergesellschaft für Zeitschriften entnervt ins neue Reich der Aufsteiger einbrachte. Bevor dessen Schwächen allzu klar wurden, zogen sich die Brüder operativ zurück und beschränkten sich auf Minderheitsbeteiligung.

Während Helmuth fortan noch mehr im Hintergrund blieb, meldete sich „WoFe“ 2006 lauter denn je retour – in der Königsdisziplin Tageszeitung. Sein „Österreich“ galt vorab als Frontalattacke auf den „Kurier“, der just in diesem Jahr erstmals unter zehn Prozent Reichweite fiel. Seitdem lag der Fellner-Titel zwar fast immer knapp voran, allerdings nur durch den raschen Wandel nahezu der gesamten Auflage zum Gratisblatt. Inhaltlich greift es unterdessen „Heute“ und die „Krone“ von unten an.

Das neue liebste Steckenpferd des Seniorchefs aber ist oe24.tv, der vor fünf Jahren gegründete, nun schon drei Monate hintereinander über einem Prozent Marktanteil liegende Fernsehsender. Das gilt im TV-Sektor als Erfolg, während zwei Prozent für Radio Austria, Fellners 2019 gestartetes, zweites bundesweites Privatradio nach Kronehit schamhaft verschwiegen werden. Denn: „Ein prinzipieller Misserfolg kommt in meiner Lebensplanung nicht vor“, zitiert ihn Harald Fidler gleich zum Auftakt der Biographie „Österreichs manischer Medienmacher“. Wenn ihm nun im Herbst des Patriarchen eine ganz persönliche Pleite droht, betrifft das einen, der vor allem wegen „viel Feind viel Ehr“ hat.

In der Medienbranche ist „WoFe“ ein Außenseiter. Der international renommierte Vorarlberger Eugen Russ sprach 2005 bei den Österreichischen Medientagen über ein „Phänomen“, dass es „zwei Brüder gibt, die so tun, als hätten sie das Wasser und das Rad erfunden“. Horst Pirker hatte schon 1999 als Vorstandsvorsitzender der Styria bei den Alpbacher Mediengesprächen den „von journalistischem Wettbewerb völlig entkoppelten Erfolg“ des Duos kritisiert – ohne die zwei zu nennen.

Pirker lehnte 2007 als Präsident des Zeitungsverbands Fellners Aufnahme ab: „Wir sind der Meinung, eine Teilnahme von ,Österreich‘ würde die Stärke des VÖZ negativ beeinflussen.“ Diese Annahme beruhe auf „historischen Erfahrungen“. Mittlerweile ist Pirker Mehrheitseigentümer der von ihm sanierten VGN Medienholding, wie die Verlagsgruppe um „News“ heute heißt. Sie hat dem „Kurier“ das „profil“ zurück verkauft, macht nun wieder Gewinn, und die Fellners halten an ihr immer noch 25 Prozent.

Umstrittener Medienmacher

Fellner ist nicht nur der umstrittenste Medienmacher des Landes, sondern auch der gefürchtetste. Das zeigt sich im Verhältnis zur Politik: Seine Blätter genießen eine weit überproportionale Berücksichtigung mit Regierungswerbung. oe24.tv ist das höchst geförderte Privatfernsehangebot, die Radios der Mediengruppe Österreich sind in Summe das bestsubventionierte Hörfunk-Portfolio. Und da es für das reichweitenstarke, aber gratis verteilte „oe24“ keine Presseförderung geben kann, versucht er solche mit einem leicht verwechselbaren Auflagenzwerg, dem Kauftitel „Österreich“ zu bekommen. Auch per Klage.

Diesen guten Geschäften schadet allein schon die rufschädigende Klage – auch wenn noch kein Urteil gesprochen ist. Im Gegensatz zu den Entscheidungen des Presserats: „Österreich oe24“ begehen die meisten medienethischen Verstöße. Doch nur das relativ kleine „Österreich“ und nicht „oe24“ steht in der Teilnehmerliste des Selbstkontrollgremiums, das soeben Zuwachs erhält. „Heute“, die reichweitenstärkere Gratistageszeitung, ist seit 1. Mai an Bord. Mit Solidarität darf Fellner nicht rechnen. Doch Opportunität füllt weiterhin sein Fernsehstudio.

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