So famos der Berlin-Auftakt bei "Pünktchen und Anton", dem Familienmusical von MarcSchubring (Musik) und WolfgangAdenberg nach Erich Kästners Roman ist, so fantastisch passen sich die schwarz-weißen Straßenbilder der pulsierenden deutschen Metropole am Vorabend der Nazi-Ära ins Grazer Opernambiente ein. Zeitgemäß hat Bühnenbildnerin MignonRitter auf Neue Sachlichkeit geachtet, frachtet ins fluchtperspektivische Esszimmereck der reichen Pogges einen überdimensionalen King Kong mit Spielzeugfliegern in den Händen und rot glühenden Augen. Während der armen Gasts Stube ein Wandklappbett ziert und eine Zeitungsmeldung „Kindermädchen als Bettlerin entlarvt“ die Quelle der Geschichte andeutet. Beeindruckend sind die atmosphärischen Bilder, die mit durchlässig dunklem Stoff auch Zurückblenden vom goldenen Sehnsuchtskreis ins Stadtgeschehen ermöglichen, wo sich das Bühnenvolk in von AlexiaRedl stilvoll entworfener Mode der Zeit tummelt. Musikalisch schwungvoll untermalt von der Live-Band unter SasaMutić.

Ins Zentrum „Am Weidendamm“ führt Regisseur MaximilianAchatz. Dort trifft „Pünktchen“ LuisePogge – zum Verkauf von Streichhölzern angestiftet von ihrem dem Gaunercasanova „Teufel“ (Michael Großschädl) hörigen Kindermädchen (LisaRothhardt) – auf Anton Gast, der ein paar „Cent“ für die kranke Mutter dazuverdienen will. Ein Währungsschwenk, ebenso wie „Internet“, in die Moderne. Und freilich wird beim in Graz stolperfreien Berliner Spracheinschlag auch kein Zündholz in den Mund genommen. Da erheitert neben Christoph Steiners gewitzt frechem Straßenrowdy Gottfried Klepperbein mit Einkaufswagen-Fahrer ganz besonders Gaststar Tini Kainrath in der bodenständigen Rolle der Köchin Berta. Das 2002 beim Ländermatch im Ernst-Happel-Stadion mit einer geschlechtergerechten Version der Nationalhymne in die Annalen eingegangene „Rounder Girl“ begeistert als Berliner Gesangsschnauze. Köstlich auch die sächselnde Lehrerin YvonneKlamant.

Mut und Solidarität des neuen Heldentyps in Kästners 1931 erschienenem modernen Großstadtmärchen stellt „Pünktchen“ CassandraSchütt als standhafte Advokatin der Armen wunderbar unter Beweis. Unerschrocken, selbstbewusst und als kreative Sprachschöpferin von „verwahrlaust“ und „tollossal“ lebt sie das Credo vor: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Dagegen bleibt „Anton“ Jan Rogler etwas blass. Auf Stefan Moser und Regine Sturm als ichbezogene Eltern trifft Kästners Kritik an „Wohlstandsverwahrlosung“ blendend zu. Von „Pünktchen und Anton“ aufgerüttelt, erfüllen sie zuletzt immerhin den Sehnsuchtstraum einer gemeinsamen Reise ans Meer. Nach „Emil und die Detektive“ ist Schubring und Adenberg ein hinreißendes Musical über Freundschaft und Verantwortung gelungen.