Diese Schau geht wortwörtlich unter die Haut: Die "Körperwelten" des "Plastinators" Gunther von Hagens laden wieder zur spektakulären Leichenbeschau in Wien. Anhand von speziell präparierten Organen, Skelett- und Muskulaturteilen sowie ganzen Menschenleibern soll die Funktionsweise des menschlichen Körpers verständlich gemacht werden. Ethische Bedenken haben die Ausstellungsmacher nicht.

Rund 200 Exponate erwarten die Besucher ab Freitag, im "Studio F" der Wiener Stadthalle. Die hinter Glaskästen und -vitrinen zu bestaunenden Ausstellungsstücke decken das ganze Spektrum des Organismus ab. Einzelne Körperpartien samt Muskeln, Knochen und Gewebe, Querschnitte durch ein Gehirn, Skelette mit Nervenbahnen, das Netz der Blutgefäße oder einzeln präsentierte Organe und Geschlechtsteile geben Einblicke, was sich alles unter der Haut verbirgt. Ein kleiner Schwerpunkt ist diesmal dem Herz gewidmet.

20 Ganzkörperexemplare

Am faszinierendsten sind wohl die 20 Ganzkörperexemplare, die zum Großteil in lebensnahen Situationen präsentiert werden - etwa beim Eislaufen, Tanzen oder Schachspielen. Dadurch sollen die Besucher noch mehr berührt werden und eine Verbindung zu ihrem eigenen Körper herstellen können. "Obwohl wir auf tote Körper schauen, geht es um das Leben", formulierte Kuratorin Angelina Whalley, Ehefrau von Hagens', in einer Pressekonferenz am Freitag. Ziel sei es, dass der Körper nicht als etwas Selbstverständliches erachtet werde. "Normalerweise denken wir nur an ihn, wenn er nicht richtig funktioniert. Wir sollten das aber schon vorher tun", so Whalley.

Also geht es in den Begleittexten immer wieder auch um gesundheitliche Aspekte. Das Herzeigen einer Raucherlunge, von Krebsgeschwüren oder der Sichtbarmachung des Fettgewebes eines übergewichtigen Menschen zeigen auf drastische Weise die Auswirkungen selbstschädigenden Verhaltens. "Ich will aber nicht mit dem Zeigefinger kommen und sagen: Hör auf zu rauchen! Ernähre Dich gesünder! Treibe mehr Sport!", versicherte die Kuratorin. Ziel sei es vielmehr zu vermitteln, dass es der Körper wert sei, auf ihn zu achten.

"Körperwelten"

Von Hagens und sein Team touren mit "Körperwelten" seit inzwischen mehr als 20 Jahren durch die Lande. In Wien macht man nach 1999 und 2013 nun bereits zum dritten Mal Station. Äußerst lebensecht können die toten Menschen dank dem Plastinationsverfahren - eine Erfindung von Hagens' - gezeigt werden. Vereinfacht gesagt, wird dabei sämtliche Flüssigkeit im Körper durch Kunststoff ersetzt. 1.500 Arbeitsstunden braucht es im Durchschnitt, um einen ganzen Körper zu plastinieren.

Vor allem zu Beginn waren die "Körperwelten" ethisch höchst umstritten. Den Vorwurf, mit der Zurschaustellung toter Menschen in pietät- und respektloser Art und Weise die Sensationsgier zu befriedigen bzw. damit Geschäfte zu machen, sprachen die Verantwortlichen beim Pressetermin aktiv an. Die Menschenwürde werde in jedem Fall gewahrt, versicherte Philosoph Franz Josef Wetz, der Teil des Podiums war. Denn das Menschliche werde als das gezeigt, was es ist: "Es wird kein ausgehöhlter Kopf als Schüssel oder ein Rückgrat als Kleiderständer verwendet." Der respektvolle Zugang spiegle sich auch im Verhalten des Publikums: "Es herrscht fast so etwas wie eine ehrwürdige Andachtsstimmung."

Und sämtliche Exponate stammen von freiwilligen Körperspendern, die darüber verfügen können, ob Teile ihres Körpers - jedenfalls anonymisiert - öffentlich gezeigt werden sollen oder nicht. Denn von Hagens' Unternehmen stellt auch Plastinate für Lehreinrichtungen her.

Einer dieser Spender, der auch nach seinem Ableben das Licht der Öffentlichkeit nicht scheuen will, ist Franz Riedl. "Ich habe vor 20 Jahren die erste Ausstellung hier in Wien gesehen und war so fasziniert, dass ich mich damals schon als Körperspender zur Verfügung gestellt habe", erklärte er der APA seine Beweggründe. Der Gedanke, "irgendwo zu verfaulen oder verbrannt zu werden", entspreche ihm als "extrovertierter Mensch" nicht wirklich: "Und der Gedanke, nach meinem Tod noch in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein, fasziniert mich einfach."

Die Ausstellung im unterirdisch gelegenen "Studio F" ist bis 9. Februar 2020 zu sehen. Stadthalle-Chef Wolfgang Fischer näherte sich der Sache heute mit Humor: "Jetzt haben auch wir Leichen im Keller. Aber ich bin froh, dass wir solche Leichen haben", zeigte er sich vom ästhetischen Konzept der "Körperwelten" überzeugt.

(S E R V I C E - "Körperwelten. Eine Herzenssache" in der Wiener Stadthalle, "Studio F", 15., Roland-Rainer-Platz 1, ab sofort und bis 9. Februar 2020, Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag 10 bis 18 Uhr, Erwachsene 19 Euro (wochentags) bzw. 21 Euro (Wochenende), Kinder 13 bzw. 15 Euro, )